Die Kernfusion und das Prinzip Hoffnung

Wendelstein7-X_Torushall-2011

Foto: Plasmakammer des Wendelstein 7-X noch ohne Verkleidung (2011), Wikimedia / Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Tino Schulz – Public Relations Department, Max-Planck-Institut

In der SonntagsZeitung vom 28. Februar 2016 konnte man gestern Folgendes nachlesen. In einem längeren Interview über Kernfusion fragt der Journalist (Joachim Laukenmann) gestützt auf eine Studie der Stanford University (dass die G7 ihren Strombedarf bis 2050 zu 100% mit Erneuerbaren decken könnten) kritisch:

Kommerzielle Fusionskraftwerke werden erst um 2050 erwartet. Bis dann könnten wir den Strom doch zu 100 Prozent regenerativ erzeugen.

Darauf der Physiker Thomas Klinger vom Kernfusionsprojekt Wendelstein 7-X am Max-Planck-Institut:

Bei dieser Behauptung ist mir zu viel vom Prinzip Hoffnung im Spiel.

Diese Äusserung ist doch wirklich äusserst „amüsant“ (um es nett zu sagen).

Wer die Hintergründe kennt, weiss: der kommerzielle Betrieb von Kernfusion wird seit 60 Jahren konstant jeweils auf rund 20 Jahre später versprochen. Das fing bereits an der Genfer Atomkonferenz von 1955 an, als deren Präsident, der indische Atomphysiker Homi Bhabha anmerkte, in etwa zwanzig Jahren könne man mit der Verwirklichung der Kernfusion rechnen.

Die […] Zeitspanne von zwanzig Jahren wurde von nun an die stehende Wendung bei Prognosen über die Fusionsenergie. „20 Jahre“ wurden zu jener Zeit von dem Atomphysiker Pascual Jordan auch als Frist angegeben, bis zu der „wahrscheinlich“ „jede Krebserkrankung chemo-therapeutisch heilbar und somit harmlos sein werde“, entsprechende Gefahren radioaktiver Strahlung also auf die leichte Schulter genommen werden könnten. Noch 1973, als die 1955 in Aussicht gestellten zwei Jahrzehnte schon fast abgelaufen waren, wurde einmal mehr prophezeit, dass Fusionskraftwerke in zwanzig Jahren konkurrenzfähig sein könnten. Wenn ausgerechnet Edward Teller, der „Vater der Wasserstoffbombe“ zu bedenken gab, bis zur Energiegewinnung aus Kernfusion könnten noch vierzig Jahre vergehen, war das nach damaligen Massstäben schwärzester Pessimismus.

[Joachim Radkau & Lothar Hahn, Aufstieg und Fall der deutschen Atomwirtschaft, 2013, Seite 54]

Es ist schier unglaublich, wie Geldgeber und Forscher immer wieder daran glauben. Laut der Datenbank über Forschungs- und Entwicklungsausgaben der International Energy Agency IEA wurden alleine seit 1974 weltweit über 50 Milliarden Dollar (Franken) direkt in die Kernfusionsforschung geschüttet (zu Preisen von 2014). Alleine die Schweiz hat diesen Forschern 1.3 Milliarden zugehalten, wir sprechen hier von „Country Budgets“, also Steuergeldern. Die ersten beiden Jahrzehnte sind dabei nicht einmal erfasst, von allgemeinen und verwandten Förderungen im Bereich der „Kerntechnik“ ganz zu schweigen.

Was haben sie nach 60 Jahren Forschung und „Entwicklung“ in Sachen Stromproduktion vorzuzeigen? Null. Keine Wattsekunde Strom wurde produziert.

Im Gegenteil verschlingen die Testanlagen Unmengen an Strom für ihre Versuche. Die oben abgebildete Experimentieranlage braucht bis 20 Megawatt und wird ebenfalls nie Strom erzeugen, weil sie (zum Glück) gar nicht für einen Betrieb mit dem radioaktiven Tritium (H-3) ausgelegt/bewilligt ist, also gar keine Fusion erzeugen kann.

Zum Vergleich: die neu installierten Erneuerbaren haben bereits 2014 fast soviel Strom erzeugt, wie die neu installierten Nicht-Erneuerbaren. Trotz rekordtiefen Ölpreisen und gigantischen Subventionen der fossilen Träger. Alle Erwartungen auf Rentabilität werden laufend übertroffen.

Also bitte. Wenn es eine Technologie gibt, bei der das Prädikat „Prinzip Hoffnung“ angebracht ist, dann wohl die Kernfusion.

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