Faktencheck Abstimmungs-Arena „Atomausstiegsinitiative“ – Kohlestrom

arena-atomausstiegAbstimmungs-Arena „Atomausstiegsinitiative“. Standbilder Schweizer Radio und Fernsehen.

Teil 2: Thema Kohlestrom

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Bei Zeitmarke 44:40 widerspricht Bundesrätin Doris Leuthard wie folgt:

Ich muss widersprechen. Was hat Deutschland gemacht? Sie haben eben genau auch ein politisches Abschaltdatum gewählt, für die Kernkraft. Was haben sie machen müssen? Die Erneuerbaren raufgefahren, das finde ich auch gut. Das ist eine gute Entwicklung, aber sie haben gleichzeitig die Kohle und das Gas raufgefahren. Sie haben zwar jetzt ein paar Terrawatt weniger, als auch schon, aber trotzdem in Deutschland haben sie bis heute—50 Prozent von der Stromproduktion ist Kohle.

Später doppelt Michael Frank, Direktor Verband Schweizerischer Elektrizitätsunternehmen noch nach:

Deutschland produziert über 50 Prozent Kohlestrom.

Exgüseh, das ist schlicht faktenwidrig!

Nachfolgend die offizielle Statistik des deutschen Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie:

bruttostromerzeugung-nach-energietraegern-deutschland-1991-2015-terrawattQuelle: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie Deutschland, Energiedaten: Gesamtausgabe Stand: Mai 2016

Da gewisse Leute offenbar Schwierigkeiten damit haben, Prozente zu rechnen, nachfolgend eine prozentuale Darstellung derselben Grunddaten (Stand 31.10.2016):

Bruttostromerzeugung nach EnergieträgernDeutschland 1991-2015 Prozentanteile

Deutschland hat den Atomausstieg im Jahr 2002 festgelegt. Damals betrug der Kohlestromanteil 50%. Danach sank dieser mehr oder weniger kontinuierlich ab auf heute ca. 42%. Alle Fossilen (Kohle+Öl+Gas) starteten bei 61% und liegen heute bei 53%. Gleichzeitig wurde der Atomstromanteil von 28% auf 14% halbiert.

Insgesamt wurde der Dreckstrom (Atom+Fossile) von 89% auf 67% reduziert. Jedes einzelne Jahr sank dessen Prozentanteil. Das nenne ich eine Erfolgsgeschichte!

Von wegen „gleichzeitig Kohle und Gas raufgefahren“. Von wegen „bis heute 50 Prozent Kohle“. Durchgefallen im Faktencheck.

Dass die CDU/FDP-Regierung Merkel 2010 den Atomausstieg mehr oder weniger auf Eis legte, um nach Fukushima 2011 sogleich wieder einen Rückwärtssalto hinzulegen und auf einen Schlag acht Reaktoren stillzulegen, kann Frau Bundesrätin Leuthard vielleicht einmal mit ihrer deutschen Parteikollegin diskutieren. Dass danach die Kohlestromproduktion kurzzeitig wieder etwas anstieg, ist wenig verwunderlich, tut aber dem deutschen Erfolg in der Gesamtschau keinerlei Abbruch. Seit 2013 gehen die Fossilen umso deutlicher bergab.

Übrigens entwickelte sich Deutschland gleichzeitig auch noch zum grossen Stromexporteur. Bei praktisch Null angefangen beim Atomausstiegsentscheid 2002 exportierte es im Jahr 2015 per Saldo 52TWh Strom ins Ausland. Würde Deutschland sich auf den Eigenbedarf beschränken, könnte es Kohle auf 34% runterfahren und hätte trotz acht Reaktorschliessungen aufs Mal nicht einmal den kurzen Kohle-Holperer hinnehmen müssen.

Zum Vergleich: langfristig bis 2029 müsste die Schweiz gemäss Initiative gerade einmal 25TWh Atomstrom ersetzen. Sie importierte im Jahr 2015 per Saldo übrigens bereits 12.7TWh aus Deutschland und bescherte ihm einen Handelsgewinn von 600 Millionen Euro dafür. Deutschland verdient schon 2 Milliarden Euro pro Jahr von seinen Nachbarn.

Je länger ich rechne, desto beschämender die zurückgebliebene Schweizer Position. Mit dieser „sturer Esel“ Haltung werden wird ganz einfach vollständig in die Auslandsabhängigkeit geraten, sobald die AKW ungeplant und plötzlich aus Sicherheitsgründen abgeschaltet werden müssen (und dabei hoffentlich nichts Schlimmes passiert).

Nochmals: Eine Wende ohne Ende ist keine. Wer den Kurs ändern will, muss zuerst die Atom-Kette ablegen.

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