RTS: „des drones survolent une centrale nucléaire“

RTS des drones survolent une centrale nucléaire
Standbild: RTS, Le19h30, 20. November 2014. Ich lege dar, dass ich die Aufnahmen zur Illustration meiner Kritik am AKW Mühleberg einsetze.

Radio Television Suisse (RTS) hat am 20. November 2014 in der Sendung „Le 19h30“ einen Beitrag über den von mir bestellten Drohnenflug beim AKW Mühleberg gesendet. Anlass waren die wiederholten Flüge in Frankreich, welche dort offenbar verboten sind und zu einer aktuellen (medialen) Kontroverse führen.

In der Schweiz legal

Im Beitrag macht die Sprecherin des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (BAZL) klar, dass solche Drohnenflüge in der Schweiz absolut legal sind.

RTS des drones survolent une centrale nucléaire 2Standbild: RTS, Le19h30, 20. November 2014, Martine Reymond, Sprecherin des BAZL

[eigene Übersetzung]

Was die Person riskiert, welche eine Drohne fliegen lässt? — Nichts — Eine Person hat das Recht eine Drohne fliegen zu lassen, wo immer sie will, in der Schweiz, solange sie gewisse Regeln respektiert, welche in der Schweiz in Kraft sind. Und es gibt keine Regeln, welche die AKW in besonderer Weise betreffen.

Aufsichtsbehörde analysiert

Das ENSI weist auf Anfrage von RTS darauf hin, dass die AKW (nach seiner Auffassung) einer Boeing 707 Verkehrsmaschine standhalten würden. Der Sprecher meint dann aber doch, man müsse jetzt eine Analyse einleiten.

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Standbild: RTS, Le19h30, 20. November 2014, David Suchet, Sprecher des ENSI

Ein Drohnenexperte erklärt im RTS-Beitrag, dass kommerziell erhältliche Drohnen nur ein, zwei Kilogramm Last, also keine ernsthaften Schädigungsmechanismen, tragen können. Das sehen übrigens auch die französischen Verantwortlichen so:

… « aucun danger pour la sécurité des installations survolées ». « La capacité d’emport des drones est insuffisante pour remettre en cause la sécurité des installations nucléaires »

[Quelle: Le Monde, „Quelles menaces les drones font-ils peser sur les centrales nucléaires?“]

La Force de Frappe

Auch wenn keine direkte Gefährdung von den Drohnen ausgeht, ist die rechtliche Situation in Frankreich trotzdem eine andere. Zunächst sei einmal darauf hingewiesen, dass Frankreich weitgehend die internationalen sogenannten „Siting Criteria“ eingehalten hat, also die AKW in bevölkerungsarme Gegenden, weit entfernt von grossen, nicht evakuierbaren Zentren gebaut hat. Dies ganz im Gegensatz zur Schweiz, welche diese Kriterien bewusst ausser Acht gelassen hat. Gleichsam dazu passend sind die AKW weiträumig mit Sperrzonen versehen. Es gilt ein totales Flugverbot im Umkreis von fünf Kilometer bis 1000 Meter Höhe. Mit solchen passiven Massnahmen ist nicht nur der Schutz der Bevölkerung vor den Auswirkungen von Störfällen, sondern auch der Schutz gegen Einwirkungen Dritter um einiges glaubwürdiger, als dies in der Schweiz der Fall ist (was aber nicht heissen soll, dass die französischen AKW dadurch auch nur annähernd akzeptabel würden).

Hierzulande werden die Werkszäune knapp um die Gebäude herum gezogen. Zur Anschauung: bei Mühleberg kann man von ausserhalb mit einem 200mm-Teleobjektiv im Kontrollraum schon fast die Monitore ablesen. Das ist kein „Geheimwissen“, welches nie in die Hände „der Bösen“ kommt. Nein, es wird beim ersten Spaziergang beim AKW klar.

KKM Einblick Kontrollraum
Bild: Spaziergänger-Blick in den Kontrollraum des AKW Mühleberg (Klicken zum Vergrössern)

Frankreich ist eine Atombomben-Nation. Bekanntlich fallen beim Betrieb der AKW die Materialien an, welche zum Bau von Atombomben verwendet werden können. Ich vermute, dieser Zusammenhang dient als Legitimation für die militaristische Gesetzesauslegung und die schon fast inquisitorischen Massnahmen gegen festgenommene und zuerst falsch vorverurteilte Modellflugenthusiasten.

Spionage mit Drohnen?

Wenn die Drohnen direkt kein Gefährdungspotenzial darstellen, geht es vielleicht mehr um die Einblicke, welche solche Drohnen erheischen können?

Dies ist grundsätzlich einmal aus technischer Sicht fragwürdig, denn die kommerziellen Drohnen können nur leichte Kameras mit entsprechend geringer Lichtstärke mittragen. Die handelsüblichen Drohnen sind typischerweise mit einer Weitwinkelkamera ausgestattet, weil die instabile Fluglage gar keine Fotografie mit hoher Brennweite zulässt. Die Hobby-Drohnen können also nicht wesentlich mehr Details heranzoomen, als in den Hochglanzprospekten der Betreiber oder beispielsweise auf Google Earth sichtbar sind.

Ein spezielles Verbot für Drohnen bei AKWs wäre in der Schweiz eh nicht plausibel, solange nicht auch (wie in Frankreich) der komplette Zivilflugverkehr grossräumig untersagt würde. Abgesehen von der Absturzgefährdung können in der bemannten Luftfahrt durchaus schwere, lichtstarke Teleobjektive (unbemerkt) eingesetzt werden (und wer weiss was sonst). Flugverbotszonen im Stile von Frankreich hätten wohl erhebliche Auswirkungen auf den schweizerischen Flugverkehr. Die ganze Diskussion zeigt einmal mehr, wie inakzeptabel die AKW in der dich bevölkerten Schweiz sind.

„Security through Obscurity“

Wenn man sich (in Frankreich oder der Schweiz) trotzdem auf den Standpunkt stellen wollte, dass solche Flüge geheime, sicherungsrelevante Details ausspionieren könnten, würde so ein Argument übrigens in die Kategorie „Security through Obscurity“ (Sicherheit durch Undurchsichtigkeit) und damit sicherungsmethodisch in die unterste Schublade gehören:

In security engineering, security through obscurity is the use of secrecy of design or implementation to provide security. Security through obscurity is discouraged and not recommended by standards bodies. A system relying on security through obscurity may have theoretical or actual security vulnerabilities, but its owners or designers believe that if the flaws are not known, then attackers will be unlikely to find them.

[Quelle: Wikipedia]

Gute Sicherung funktioniert auch dann, wenn man weiss, wie sie funktioniert.

Schlussbemerkungen

Zum Schluss möchte ich festhalten, dass ich Drohnenflug nicht einfach uneingeschränkt und undifferenziert gutheisse. Das AKW Mühleberg ist ein Objekt des öffentlichen Interesses. Der Anspruch auf Illustration meiner Kritik fusst auf dem legitimen und wichtigen Recht auf freie Meinungsäusserung bzw. Medienfreiheit. Auf der anderen Seite muss die Privatsphäre der Menschen gewährleistet sowie die Gefährdung von Personen (und Sachen) auf ein Minimum reduziert bleiben. Auch mengenmässig gibt es Grenzen: andauerndes Drohnengesurre überall und jederzeit ist inakzeptabel. Sollte die Nachfrage ausufern, müssen die Bedingungen verschärft werden. Aus all diesen Gründen habe ich meine Aufnahmen von einem Experten machen lassen, statt meinen technophilen Gelüsten nachzugeben und selber eine Drohne zu kaufen.

AKW, Wohlenseestaumauer und Bern

Birdcam Solutions Flugaufnahmen erstellt durch Birdcam Solutions

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