Wohlenseestaumauer: Beschwerde vom Bundesgericht abgewiesen

WKM Verstaerkung Untergrund BaustelleFoto: Baustelle „Verstärkung Untergrund“ bei der Wohlenseestaumauer (Wasserkraftwerk Mühleberg) (zvg)

Das Bundesgericht hat unsere Beschwerde im Fall „Wohlenseestaumauer“ abgewiesen. Zuletzt ging es in diesem Verfahren um die formelle Frage, ob das Verfahren nach einem Formfehler unsererseits noch hängig sei.

Unerwartete Begründung

Überraschend hat nun das Bundesgericht diese formelle Frage gar nicht geklärt, sondern unsere Beschwerde aus einem ganz anderen Grund abgewiesen (aus dem Urteil, E 2.3):

Die Beschwerdeführer haben in ihrer Beschwerde vom 30. Mai 2013 vorgebracht, sie zweifelten an der Sicherheit der Stauanlage sowohl im Ausgangszustand vor als auch im Zustand nach der Realisierung des geplanten Projekts. Sie haben aber nicht bestritten, dass mit dem Bauvorhaben die Gesamtstabilität der Stauanlage erhöht wird bzw.
dass das Umbauprojekt jedenfalls keinen negativen Einfluss auf die Sicherheit der Stauanlage hat. Die Beschwerde vom 30. Mai 2013 zielte somit nicht darauf ab, die von der Beschwerdegegnerin initiierten und vom AWA bewilligten Verstärkungsmassnahmen zu verhindern. Vielmehr brachten die Beschwerdeführer mit ihrer Beschwerde zum Ausdruck, dass sie mit der Art und Weise, wie das BFE seinen Aufgaben als Aufsichtsbehörde gemäss Art. 8 StAG nachkommt, nicht einverstanden sind und dass ihrer Ansicht nach das BFE – unabhängig vom Umbauprojekt – die Betriebssicherheit der Stauanlage falsch beurteilt.

Das ist—jedenfalls bezogen auf unsere Beschwerdeschrift—absolut korrekt. Wir haben zwar gegenüber der Vorinstanz betont, dass wir eine Schwächung der Staumauer durch das Bauvorhaben befürchten (Kippsicherheit), wir haben aber aus prozessökonomischen Gründen darauf verzichtet, diesen Punkt weiterzuziehen. Es ging uns also im Verfahren tatsächlich nur noch darum, dass das BFE „die Betriebssicherheit der Stauanlage falsch beurteilt“. Das Bundesgericht fährt fort:

Für diese Rügen bestand im gegen den Gesamtbauentscheid des AWA vom 29. April 2013 erhobenen Rechtsmittelverfahren allerdings kein Raum. Hätten sich die kantonalen Rechtsmittelbehörden mit ihnen materiell auseinandergesetzt, hätte dies zu einer unzulässigen Ausweitung des Streitgegenstands geführt.

Das Bundesgericht folgert daraus, dass unsere Beschwerde im Rahmen dieses Verfahrens gar nicht berechtigt war (gesamtes Urteil, siehe Beilage unten).

Fragen bleiben ungeklärt

Das Verfahren ist gescheitert, was uns selbstverständlich schmerzt. Es ist aber zu betonen, dass das Gericht weder in der formellen noch in der materiellen Frage gegen uns entschieden hat. Nach wie vor bleibt also insbesondere die Sicherheitsfrage trotz ihrer grossen Bedeutung ungeklärt.

AKW, Wohlenseestaumauer und BernBild: das AKW Mühleberg liegt nur eine Aareschlaufe unterhalb der Staumauer (Luftaufnahme: Birdcam Solutions)

Zur Erinnerung: die BKW liess den Erdbebensicherheitsnachweis für die Staumauer bei einer externen Gutachterin erstellen. Das Gutachten kam dann zwar diplomatisch aber eindeutig zum Schluss, dass die Vorgaben gemäss Bundesrichtlinien deutlich nicht erfüllt werden. Die Erdbebensicherheit war also nicht nachgewiesen. Das BFE griff in der Folge ein und wies die Gutachterin an, die massgebliche Richtlinie des Bundes ausser Acht zu lassen. Die Gutachterin verfasste weitere Versionen des Gutachtens, in welchen sie zur eigenen Absicherung auf die Anweisungen des BFE verwies und der Staumauer sodann die Erdbebenfestigkeit bescheinigte. Das Gutachten liegt uns in den drei entsprechenden Versionen vor. Bei den beiseite geschobenen Sicherheitsvorgaben handelt es sich um international etablierte Sicherheitsfaktoren im Zusammenhang mit dem Halt der Gewichtsstaumauer im Felsuntergrund (Kohäsion). Der von uns beigezogene Experte Univ. Prof. Dr.-Ing. Wei Wu bestätigte unsere Vorbehalte. Alles im Detail erklärt, belegt und nachzulesen hier→

Das falsche Rechtsmittel gewählt

Gemäss dem Bundesgerichtsurteil haben wir schlicht das falsche Rechtsmittel gewählt. Dazu möchte ich jedoch anmerken, dass mir während des Verfahrens vier verschiedene Anwälte bei verschiedenen Gelegenheiten einhellig und kategorisch versichert haben, man müsse seine Interessen zwingend in einem Bewilligungsverfahren geltend machen, wenn sich ein solches bietet. Auch dann, wenn der Streitgegenstand nur am Rande und indirekt mit der eigentlich zu bewilligenden Sache zu tun hat. Konkret bedeutete dies, dass wir nach kantonalem Recht eine Einsprache gegen ein Baugesuch bzw. gegen die BKW führen mussten, auch wenn wir eigentlich primär nach Bundesrecht gegen den fehlerhaften Erdbebennachweis für die Staumauer bzw. gegen dessen Gutheissung durch das BFE (bzw. ENSI) vorgehen wollten. Diese Rechtsauffassung stellte sich damals (auch in der Behandlung durch die Vorinstanzen) als derart eindeutig dar, dass ich heute vermute, dass es sich beim Urteil des Bundesgerichts um eine Weiterentwicklung der Rechtsprechung handelt.

Eine neue Tür geöffnet?

Das Bundesgerichtsurteil hat uns also eine Tür vor der Nase zugeschlagen, aber gleichzeitig—so fordert es jedenfalls die Logik—eine neue Tür geöffnet. Wenn das Bewilligungsverfahren nicht der geeignete Ort war, um unsere Interessen zu wahren, wenn eine „unzulässigen Ausweitung des Streitgegenstands“ verortet wird, dann muss es gemäss der sogenannten Rechtsweggarantie der Bundesverfassung zwingend ein anderes Rechtsmittel für uns geben.

Vermutlich besteht dieses in einem Verfahren nach Art. 25a VwVG, womit Betroffene von einer Behörde verlangen können, dass sie “widerrechtliche Handlungen unterlässt, einstellt oder widerruft”, “die Folgen widerrechtlicher Handlungen beseitigt” oder “die Widerrechtlichkeit von Handlungen feststellt.”  Dieses Rechtsmittel verwenden wir bereits in unserem Fall „mobile Pumpen„.

Die Totalrevision der Bundesrechtspflege hat erst 2007 dieses neues Rechtsmittel geschaffen. Im letzten Jahr hat uns das Bundesgericht dann in einem durchaus richtungsweisenden Urteil dieses Rechtsmittel ausdrücklich in Sachen Nuklearer Sicherheit zugestanden. Das neue Rechtsmittel gilt jedoch „subsidiär“, d.h. es kann nicht angewendet werden, wenn man das Recht hat, sich an einem regulären Verfahren zu beteiligen (z.B. mit einer Einsprache zu einem Baugesuch). Mit dem aktuellen Urteil scheint nun viel stärker als bisher eingeschränkt worden zu sein, was bei einem regulären Verfahren noch Streitgegenstand sein kann. Falls diese Einschätzung zutrifft, wäre umgekehrt das neue Rechtsmittel in seiner Bedeutung gestärkt worden.

In diesem Sinne hoffe ich, dass unser Verfahren nicht gänzlich „für die Katz“ war. Wenn widerrechtliche Handlungen der Behörden in Zukunft mit Verweis auf dieses Urteil ausserhalb von Bewilligungsverfahren direkt verfolgt werden können, kann dies vorteilhaft sein. Verfahren werden dadurch vereinfacht und entkoppelt. Es kommt dann auch nicht mehr automatisch zu einer unheiligen Allianz zwischen Beaufsichtigten und Aufsichtsbehörden gegen die schutzwürdigen Interessen der Bevölkerung.

Weiteres Vorgehen noch offen

Ob wir das erwähnte Rechtsmittel für den konkreten Fall „Wohlenseestaumauer“ einsetzen werden, ist noch völlig offen. Es gilt die Kosten und Chancen mit Blick auf die angekündigte Stilllegung des AKW Mühleberg 2019 zu berücksichtigen.

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bei Greenpeace für die Unterstützung bedanken.

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