ENSI manipuliert nachträglich seine Absichtserklärung zur Umsetzung einer IAEA-Vorschrift
Bezugnehmend auf die aktuelle Medien-Berichterstattung „Atomaufsicht ignoriert Vorgaben der IAEA“, sei hier in aller Kürze das bisher Geschehene aufgerollt und der vielsagende Vorfall einer nachträglich durch das ENSI manipulierten Absichtserklärung aufgezeigt.
Periodisch lassen sich die Atomaufsichtsbehörden der Welt von den IAEA-Überprüfungsmissionen IRRS über die Schultern schauen. Dabei werden die nationale Gesetzgebung, die Richtlinien und die Organisationshandbücher der Behörde mit den umfangreichen Standards der IAEA verglichen. Ob sich die Aufsichtsbehörde dann auch tatsächlich an die eigenen Gesetze, Richtlinien und Handbücher hält, wird übrigens ausdrücklich nicht überprüft.
Nach ihrer Mission 2011 sprachen die Experten (unter vielen anderen) die folgende „Empfehlung“ aus:
Gemäss IAEA GSR Part 4 (Vorschrift 21) muss der Betreiber eine unabhängige Überprüfung der Sicherheitsbeurteilung vornehmen, bevor diese beim Betreiber verwendet oder bei der Aufsichtsbehörde eingereicht wird. Zusätzlich muss die Aufsichtsbehörde eine separate, unabhängige Überprüfung durchführen, um sich selber zu bestätigen, dass die Sicherheitsbeurteilung akzeptabel ist und um festzustellen, ob sie in ausreichendem Masse aufzeigt, dass die gesetzlichen und aufsichtsbehördlichen Vorschriften eingehalten werden. Das [IRRS] Team hat zur Kenntnis genommen, dass das ENSI diese Verpflichtung bereits diskutiert, aber noch nicht systematisch umgesetzt hat. […]
R7 Empfehlung: Das ENSI und andere relevante Behörden sollten im Regelwerk eine Vorschrift für die Bewilligungsinhaber verankern, sämtliche sicherheitsrelevanten Unterlagen, ob intern erstellt oder von einem Vertragspartner – namentlich von Planungsbüros und Lieferanten kommend – unabhängig zu überprüfen, bevor sie der Aufsichtsbehörde eingereicht werden.
[eigene Übersetzung aus dem Englischen]
Anmerkung: Es sei darauf hingewiesen, dass bei der IRRS eine “Empfehlung” (Recommendation) eine diplomatische Umschreibung für “Rüge” ist. Es gibt keine höhere Stufe, um einen Mangel auszudrücken. Die hier nicht umgesetzte IAEA Vorschrift ist ein “Muss”-Kriterium (Requirement) des IAEA-Standards.
Mit dieser Rüge gab die IAEA damals der Berner Regierung Recht, die zuvor ein „Vieraugenprinzip“ gefordert hatte. Nachdem ich diese Tatsache der Berner Regierung mitteilte und danach noch etwas mit Radio DRS nachhalf, stellte das ENSI schliesslich seine Absichtserklärung aufs Netz:
Betreiber sollen ihre Sicherheitsanalysen einer unabhängigen Qualitätssicherung unterziehen, bevor sie diese bei der Aufsichtsbehörde zur Prüfung unterbreiten. Das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat ENSI wird dieses zurzeit noch nicht konsequent befolgte Vorgehen gestützt auf eine Empfehlung der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in seinen Richtlinien verbindlich festschreiben.
Klare Worte.
Denen wie man aktuell sieht, keine Taten folgen.
Dass sich gegen die Umsetzung dieser IAEA-Vorschrift Widerstand mobilisiert hat, zeichnete sich schon früh ab: wenige Tage nach dem Aufschalten der ENSI-Absichtserklärung, wurde diese entscheidend und in Abweichung vom Wortlaut der IAEA-Vorschrift (s.o.) manipuliert:
Betreiber sollen ihre die Sicherheitsanalysen externer Experten einer unabhängigen Qualitätssicherung unterziehen, bevor sie diese bei der Aufsichtsbehörde zur Prüfung unterbreiten. […]
Es war und ist für mich offensichtlich: aus naheliegenden Gründen scheuen die AKW Betreiber die unabhängige Überprüfung ihrer eigenen Sicherheitsanalysen wie der Teufel das Weihwasser. Das ENSI wurde seinem Ruf gerecht und krebste einmal mehr zurück. Wie es bei der manipulierten Fassung anmerkt, wurden angeblich „missverständlich formulierte Passagen korrigiert“.
Über die Manipulation habe ich mich beim ENSI und seinem internen Aufsichtsorgan ENSI-Rat beschwert und eine Rücknahme gefordert. Selbstverständlich ohne Erfolg:
Nachträglich veränderte, falsche Darstellung von IAEA-Vorschriften
Nachträglich veränderte, falsche Darstellung von IAEA-Vorschriften – Brief an ENSI-Rat
Das Beispiel zeigt für mich einmal mehr auf, wie das ENSI mit aktiven Handlungen die Interessen der AKW-Betreiber vertritt und dabei auch nicht vor öffentlich nachvollziehbaren und durchsichtigen Manipulationen zurückschreckt.
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