IAEA: Unabhängige Überprüfung von Sicherheitsbeurteilungen fehlt
Hinweis: dieser Text war ursprünglich Teil des Artikels Radio DRS: Sind unsere Atomkraftwerke erdbebensicher oder nicht? →
Er wird hier zur besseren Referenzierung abgetrennt (aber unverändert) wiedergegeben.
Am 6. September 2011 hat die Berner Regierung das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (ENSI) aufgefordert, „die laufenden und geplanten Arbeiten zur Erhöhung der Sicherheit am AKW Mühleberg zusätzlich auch durch unabhängige Experten zu überprüfen und abnehmen zu lassen“. Sie hat ausgeführt, dass aus Ihrer Sicht „nur das Vieraugenprinzip das Vertrauen der Bevölkerung in die verbesserte Sicherheit des Werks sicherstellen“ kann.
Das ENSI hat daraufhin am 23. September 2011 recht undiplomatisch wie folgt geantwortet:
Das ENSI wacht als unabhängige Aufsichtsbehörde des Bundes darüber, dass die Betreiberin BKW FMB Energie AG ihre Verantwortung für den sicheren Betrieb des KKW Mühleberg wahrnimmt. Damit ist das „Vieraugenprinzip“ erfüllt. Für das ENSI ist es selbstverständliche Praxis, regelmässig die Meinung von in- und ausländischen Experten einzuholen.
Das ENSI weist die Forderung des Regierungsrats des Kantons Bern nach einer weiteren Überprüfung zurück.
Gemäss Art. 22 des Kernenergiegesetzes ist es der Bewilligungsinhaber, der für die Sicherheit der Anlage und des Betriebs verantwortlich ist. Der Kanton Bern ist Mehrheitsaktionär der BKW und hat Einsitz im Verwaltungsrat. Es liegt somit in dessen Verantwortung, jederzeit selber zusätzliche Überprüfungsarbeiten zu veranlassen, falls er Zweifel an der Sicherheit des KKW Mühleberg hat. Der Kanton Bern steht in der Pflicht.
Vom 21. November bis 2. Dezember 2011 fand beim ENSI eine Überprüfungsmission durch eine Expertengruppe des Integrated Regulatory Review Service (IRRS) der Internationalen Atomenergieagentur (IAEA) statt. Diese Mission hatte die Aufgabe, das Schweizerische Regelwerk und die Aufsichtsprozesse zu überprüfen und mit den IAEA-Sicherheitsstandards zu vergleichen.
Die Experten kommen in ihrem Bericht (der erst am 7.5.2012 veröffentlicht wurde) hinsichtlich der Frage der unabhängigen Überprüfung zu einem ganz anderen Schluss als das ENSI.
Gemäss IAEA GSR Part 4 (Vorschrift 21) muss der Betreiber eine unabhängige Überprüfung der Sicherheitsbeurteilung vornehmen, bevor diese beim Betreiber verwendet oder bei der Aufsichtsbehörde eingereicht wird. Zusätzlich muss die Aufsichtsbehörde eine separate, unabhängige Überprüfung durchführen, um sich selber zu bestätigen, dass die Sicherheitsbeurteilung akzeptabel ist und um festzustellen, ob sie in ausreichendem Masse aufzeigt, dass die gesetzlichen und aufsichtsbehördlichen Vorschriften eingehalten werden. Das [IRRS] Team hat zur Kenntnis genommen, dass das ENSI diese Verpflichtung bereits diskutiert, aber noch nicht systematisch umgesetzt hat. […]
R7 Empfehlung: Das ENSI und andere relevante Behörden sollten im Regelwerk eine Vorschrift für die Bewilligungsinhaber verankern, sämtliche sicherheitsrelevanten Unterlagen, ob intern erstellt oder von einem Vertragspartner – namentlich von Planungsbüros und Lieferanten kommend – unabhängig zu überprüfen, bevor sie der Aufsichtsbehörde eingereicht werden.
[eigene Übersetzung, Quellenangaben siehe Brief unten]
Es sei darauf hingewiesen, dass bei IRRS eine „Empfehlung“ ein diplomatisch gewählter Begriff für ein „Rüge“ ist (es gibt keine höhere Stufe, um einen Mangel auszudrücken). Die entsprechende IAEA Vorschrift ist ein „Muss“-Kriterium des IAEA-Standards.
Im allerersten Satz unserer Kernenergiegesetzgebung zum Thema „Schutzmassnahmen“ steht:
Art. 5 Schutzmassnahmen
1 Bei der Auslegung, beim Bau und beim Betrieb der Kernanlagen sind Schutzmassnahmen nach international anerkannten Grundsätzen zu treffen. […]
Daraufhin habe ich der Berner Regierung einen Brief geschrieben:
Berner Regierungsrat fordert vom ENSI Vieraugenprinzip für Mühleberg-Sicherheit – Internationale Atomenergieagentur IAEA gibt der Berner Regierung recht
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