Uni St. Gallen: „Meinungsbildungsprozesse bei energiepolitischen Volksabstimmungen“
Abbildung: „Wissen über Atomenergie und Abstimmungsverhalten am 27.11. (n = 886)“
Die Universität St. Gallen veröffentlicht eine interessante Studie mit repräsentativer Umfrage über „Meinungsbildungsprozesse bei energiepolitischen Volksabstimmungen“ (von Adrian Rinscheid und Rolf Wüstenhagen):
53% der Frauen und 56% der unter Dreissigjährigen haben die Atomausstiegsinitiative der Grünen angenommen, während nur 39% der Männer und 37% der über Sechzigjährigen dem Vorschlag zustimmten, die Laufzeit der Schweizer AKW auf 45 Jahre zu beschränken. Den Ursachen dieser Unterschiede geht eine repräsentative Umfrage der Universität St.Gallen auf den Grund.
Die Abstimmenden seien vor allem schlecht informiert gewesen (Hervorhebungen hinzugefügt):
Entscheidend für die mehrheitliche Ablehnung war demnach der nach Meinung der Gegner zu ambitionierte Zeitplan, der jedoch nur von einer Minderheit realitätsgetreu wahrgenommen wurde. Rund zwei Drittel der Befragten nahmen an, dass bei einer Annahme der Initiative innerhalb der nächsten zwei Jahre 50% der Schweizer Stromproduktion durch andere Quellen ersetzt werden müsse – in Tat und Wahrheit machen die drei älteren AKW, die in diesem Zeitraum abgeschaltet werden sollten, weniger als 15% der Stromproduktion aus. Lediglich 39% der in diesem Punkt falsch Informierten stimmten der Initiative zu, während der Anteil bei den richtig Informierten bei 57% lag.
Je mehr Befragte über Energiefragen, je mehr sie über Atomenergie wussten, desto eher stimmten sie Ja:
Besonders deutlich wird der Unterschied zwischen Befürwortern und Gegnern der Atomausstiegsinitiative, wenn man sich auf die vier Wissensfragen zur Atomenergie konzentriert. So stimmten unter den Personen mit sehr geringem Wissen zur Atomenergie nur 28,5% für und 71,5% gegen die Initative. Bei den Personen mit sehr hohem Wissen kehrt sich dieses Verhältnis nahezu um: hier stimmen 64,8% für und lediglich 35,2% gegen die Intiative.
Etwas salopp ausgedrückt lässt sich somit sagen:
Je ignoranter, desto Atom.
Und die Studie gibt auch eine konkrete Empfehlung, wie man diese Situation verbessern kann:
Im Vergleich zu Personen, die oft oder manchmal mit anderen über die Initiative diskutiert haben, lehnten Personen, die sich nur selten oder gar nicht mit anderen ausgetauscht haben, die Initiative überdurchschnittlich häufig ab. Für die Befürworter energiepolitischer Initiativen lässt sich daraus die Empfehlung ableiten, aktiver als bisher auf Personen zuzugehen, die nicht aktiv von sich aus den Dialog mit Andersdenkenden suchen.
Immerhin: das Nein zu Initiative sei kein Nein zum Atomausstieg:
Manche Beobachter interpretieren die mehrheitliche Ablehnung der Initiative als Votum pro Atomenergie. Die Befragungsergebnisse unterstützen diese Interpretation nicht. In der ersten Befragungswelle stimmten 74% der Aussage zu, die Schweiz solle aus der Atomenergie aussteigen und in erneuerbare Energien investieren, lediglich 17% verneinten dies.
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