Kryptowährung Bitcoin & Co. – Neue Energieverschwendungsformen

Kryptowährungen wie Bitcoin sind Dreckschleudern. Betrübliche Erkenntnisse zu einer unheimlich angesagten Technologie.  

Als Informatik-Ingenieur ETH verfolge ich selbstverständlich die technische Entwicklung auf dem Gebiet der Informations-Technologie (IT). Dabei versuche ich auch hier Risiken und Schattenseiten im Auge zu behalten (es gibt zahlreiche). Im Bereich Energie / Stromverbrauch sind neben erfreulichen Effizienzgewinnen und „smarten“ Lösungen dank IT (Smart Grid etc.) auch immer wieder negative Entwicklungen auszumachen. Ein geradezu ekelerregendes Beispiel sei hier vorgestellt.

Seit einiger Zeit machen sogenannte Kryptowährungen von sich reden, die bedeutendsten Beispiele sind Bitcoin und Ethereum. Es handelt sich um ein Geld, welches von keinem Staat und keiner Zentralbank herausgegeben und verwaltet wird, sondern lediglich basierend auf der Akzeptanz der digital vernetzten Teilnehmer (Handelspartner) als Tauschmittel verwendet wird. Kryptografisch (d.h. durch Verschlüsselung) gesicherte, digitale Zahlungsüberweisungen gibt es seit Jahrzehnten. Neu an der Kryptowährung ist jedoch die konsequente — oft durchaus ideologisch befeuerte — Ablehnung von jeglichen Zentralinstanzen (Banken, Staaten etc.).

Leistung von AKW Gösgen, nutzlos verbrannt

Eine inhärente Eigenschaft der heute dominanten Kryptowährungen (für Interessierte weiter unten vertieft erklärt), führt nun dazu, dass diese antizentralistische Buchführung enorm viel Rechenleistung verbrennt und damit auch den Stromverbrauch massiv in die Höhe treibt. Der technische Fortschritt hilft dabei nicht, denn dieser Fortschritt wird absichtlich laufend kompensiert. Das Verfahren muss viel Strom verbrennen und muss dauernd den Ersatz der eingesetzten Hardware fordern (inkl. graue Energie und Elektroschrott), weil genau der damit verbundene Kostenfaktor Grundlage des ekelerregenden Sicherheitsmodelles solcher Kryptowährungen ist.

Das hat schlicht groteske Auswirkungen: Bitcoin verbrennt dafür mittlerweile Strom im Umfang von mindestens 1’000 MW, also der Leistung des AKW Gösgen, bei einer Geld-Bilanz von weltweit betrachtet geringen 100 Milliarden Franken. (Zum Vergleich: Bilanz Postfinance: 127 Milliarden Franken, Stromverbrauch gesamte Rechenzentren ca. 1.7 MW, übrigens 100% zertifiziert erneuerbar).

Eine einzige Bitcoin-Geldüberweisung braucht ca. 33.4kWh Strom (Zum Vergleich: ein Schweizer Durchschnittshaushalt verbraucht pro Tag ca. 14.1kWh). Wenn die Personen eines Haushalts also drei Mal pro Woche mit Bitcoin bezahlen, verdoppeln sie ihren Stromverbrauch! Damit sowas überhaupt rentiert, werden die Bitcoins in Ländern berechnet, wo der Strom fast nichts kostet (China, Mongolei, Russland). Natürlich steckt hier überwiegend der schlimmste Kohle- und Atom-Dreckstrom drin.

Es zeigt sich einmal mehr: so neuartig und elegant die mathematischen Grundlagen in der Theorie auch klingen mögen, so ultraintelligent die dahinter stehenden Erfinderinnen und Erfinder auch zweifellos sind, in der realen Praxis kann daraus eine ungemein dreckige Technologie werden. Zusammen mit dem Hype um diese Technologie und den allgegenwärtigen unsachgemässen Ausreden („Gold schürfen ist auch ein Drecksgeschäft“), erinnert dies fatal an die Anfänge der Atomenergie. Wie damals gibt es übrigens auch hier Alternativen (s.u.).


Vertiefung: Funktionsweise etwas detaillierter dargestellt

Wie bereits dargelegt, besteht die Novität dieser Kryptowährungen in der Ablehnung jeglicher Zentralinstanzen (Banken, Staaten etc.). Ohne Zentralinstanz ist es allerdings schwierig, verbindlich Buch darüber zu führen, wem was gehört. Die sogenannte „Blockchain“ ist die erste, praktisch breit eingesetzte Lösung dafür.

Dass nur derjenige Geld ausgibt, der es besitzt, ist kryptologisch einfach sicherzustellen, indem jeder Teilnehmer die gesamte Buchhaltung bei sich führt (bei Bitcoin heute ca. 140 Gigabyte). Schwieriger wird es, diese Buchhaltung weltweit einheitlich weiterzuschreiben, ohne dass eine zentrale Instanz dies koordiniert. Neben den technischen Hürden durch variierende Zeitverzögerungen und Netzwerkausfälle, gilt es auch auszuschliessen, dass böswillige Akteure sich einen Vorteil verschaffen können. Zwar kann es kryptologisch einfach verhindert werden, Buchungen zu fälschen; sie systematisch zu verzögern oder gar zu unterdrücken, muss jedoch ebenfalls ausgeschlossen werden … und hier sitzt er, der Teufel im Detail.

Bei Blockchains wird dies — vereinfacht dargestellt — wie folgt gelöst: die Teilnehmer trauen sich untereinander einzeln nicht, sind jedoch gewillt, einer Mehrheit der Teilnehmer zu vertrauen. Die Entscheidung darüber, wer das Kontobuch weiterschreiben darf, wird deshalb in einer Art kryptologischem „Bingo-Spiel“ ausgelost. So wird ausgeschlossen, dass ein einzelnes Mitglied das Kontobuch nachhaltig manipulieren kann. Eine Buchung kann zwar von einem böswilligen Mitglied eine Runde lang unterdrückt werden, aber schon in der nächsten Runde kommt ein ganz anderes Mitglied zum Zug und die Buchung wird nur leicht verzögert nachgeholt.

Da die Teilnehmer anonym bleiben sollen, muss ein Weg dafür gefunden werden, dass die „Karten“ fair verteilt werden. Da alles über Computer läuft und diese bekanntlich Milliarden Rechenoperationen pro Sekunde bewältigen können, wäre es technisch simpel, sich eine Unzahl simulierter Mitgliedschaften zuzulegen, mit diesen das Spiel zu dominieren und somit zu manipulieren. Bildlich: wenn jemand beim Beizen-Bingo gleichzeitig mit tausend Karten spielt, wird er mit hoher Wahrscheinlichkeit alle Preise abramisieren.

Die Krux: Proof-of-Work

Hier kommt nun die eigentliche Krux: damit dies nicht geschehen kann, wird von den Mitspielern verlangt, dass sie einen sogenannten Arbeitsbeweis („Proof-of-Work“) leisten. Es gilt eine kryptologische Rechenaufgabe zu lösen, von der man nach Stand der Technik weiss, dass sie im Durchschnitt sehr viel Rechenzeit verschlingt. Umgekehrt ist es sehr einfach, die Lösung zu überprüfen. Wer als erstes eine solche Lösung findet, schreit „Bingo!“, erhält eine Gewinnprämie in Kryptowährung und das Recht, die Buchführung weiterzuschreiben. Er fügt dann das nächste Bündel von Buchungen („Block“) an die bisherige Buchhaltungs-Kette („Chain“) an. Ergo „Blockchain“. Weil man zum Mitmachen einen schnellen Krypto-Rechner anschaffen muss und Strom für dessen Betrieb verbraucht, wird die Teilnahme am Spiel an reale Kosten gebunden und somit eine einseitige Dominanz des Gesamtspiels unbezahlbar.

Übrigens sind es die oben erwähnten Gewinnprämien, welche das Kryptogeld aus dem „Nichts“ erschaffen. Deshalb spricht man in Anlehnung an die Goldgräber auch vom „Schürfen“. Nur wenige Teilnehmer machen beim Schürfen mit, die meisten sind nur passive Anwender der Währung.

In dieser Goldgräberstimmung wird ständig neue Hardware entwickelt, um die an sich nutzlosen Rechenaufgaben schneller als die Konkurrenz lösen zu können. Im Gegenzug wird jedoch der Schweregrad der Berechnung alle zwei Wochen vollautomatisch an den technologischen Fortschritt angepasst, so dass weiterhin weltweit (!) nur alle zehn Minuten einer „Bingo!“ ruft, sprich ein Block mit lediglich ein paar zehntausend Buchungen an die Kette angehängt wird. Dies obwohl weltweit sämtliche beteiligten „Schürfer“ ständig auf Hochtouren rechnen. Im Rennen um die Gewinnprämien wird die verwendete Hardware folglich in kürzester Zeit immer wieder ausgetauscht, der Elektroschrottberg wächst und wächst, die neben dem Strom verschwendete graue Energie ist immens!

Es ist also nur die Fassade der Kryptowährung so schön fortschrittlich, digital und virtuell. Dahinter steckt eine gigantisch zum Himmel stinkende, martialisch-brachiale, reale Ressourcenverschwendung.

Interessantes Video der Online-Zeitschrift „Motherboard“: Zu Besuch in der chinesischen Bitcoin-Mine→

Der Erfolgsfaktor

Warum lassen sich die Leute auf eine solch hirnrissige Technologie ein, nur um Zentralinstanzen zu vermeiden? Es steckt wohl eine unheilige Mischung aus ideologisch unhinterfragtem Fortschrittsglauben, paranoider Verschwörungstheorien gegen den Staat, Spekulantentum, Goldgräberstimmung und krimineller Energie dahinter.

Die Teilnehmer einer Kryptowährung sind anonym, sie werden nur durch einen kryptischen Schlüsselcode identifiziert. Der persönliche Schlüsselcode lässt sich auf Wunsch bei jeder Zubuchung vollautomatisch austauschen (sogar für das Wechselgeld), so dass niemandes Zahlungen in Zusammenhang gebracht oder sein Vermögen summiert werden kann. Die Kryptowährung ist deshalb vor allem ein ideales Tummelfeld für zwielichtige Gestalten inkl. Steuerbetrüger. Dass die Kryptowährung in Einzelfällen das Vermögen von Bürgern korrupter und totalitärer Staaten vor dem Zugriff ihrer Klepto- und Autokraten schützen könnte, ist — auch aus technischen Gründen — eher eine gesuchte Entschuldigung.

Die Alternativen

Die negativen Aussagen lassen sich übrigens nicht auf die Blockchain-Technologie insgesamt übertragen. Solche dezentralen, kryptologischen Anwendungen sind an und für sich durchaus interessant und werden etwa auch für den Handel von CO2-Zertifikaten diskutiert.

Es ist das beschriebene „Proof-of-Work“ Element, in welchem der Teufel drin steckt.

Es gibt Alternativen, wie etwa den „Proof-of-Stake“, welcher die Verteilung der Chancen nicht an die Krypto-Rechenleistung, sondern ans bisherige Vermögen des eines einzelnen Teilnehmers bindet. Die zweitgrösste Kryptowährung Ethereum (übrigens mit Schweizer Sitz) forscht immerhin daran. Ob man dann allerdings ein solches, aus der Mottenkiste der Geschichte wiederauferstandenes Zensuswahlrecht wirklich als Fortschritt bezeichnen will, ist dann wieder eine andere Frage.

Wichtigste Quellen:


Artikel am 31.10.2017 und 1.11.2017 leicht klärend redigiert.

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