WOZ: „Der Pegasos-Skandal“
In der Ausgabe vom 12. Juli 2012 titelt die WOZ mit dem Artikel „Der Pegasos-Skandal„. Von Susan Boos.
Zuerst möchte ich Frau Boos kurz vorstellen. Sie ist eine der wenigen AutorInnen die seit Jahren unabhängig über die Atomkraft in der Schweiz und anderswo schreiben. Mit ihren Büchern hat sie auch für mich die praktisch einzige fundierte Informationsquelle geschaffen, welche unabhängig von der offiziellen Doktrin zeitgenössisch über die Schweizer Atomwirtschaft berichtet und dabei die Fakten minutiös belegt.
Frau Boos hat sich nach eigenen Recherchen zu PEGASOS bei mir gemeldet und sich nach weiteren Informationen erkundigt. Aus aktuellem Anlass war ich gerade daran, meinem Bericht über die „PEGASOS-Legende“ ein weiteres mal zu revidieren. So konnte ich Frau Boos meine über die Monate zusammengesammelten Erkenntnisse ohne grosse Erklärungs- und Überzeugungsarbeit vermitteln. Ideal.
Kühni hat detailliert rekonstruiert, wie die Pegasos-Daten verwässert wurden. Als Erster startete der heutige Leiter des AKWs Gösgen, Jens-Uwe Klügel, im Fachmagazin «Engineering Geology» eine Attacke. Er unterstellte, die Pegasos-ExpertInnen hätten schlecht und unwissenschaftlich gearbeitet. Diese antworteten irritiert, weil Klügel sie angriff, obwohl Pegasos gar nicht veröffentlicht worden war. Sie zerpflückten Klügels Kritik Punkt für Punkt. Sie konterten auch, Klügel habe fachlich keine Ahnung – was zutreffen dürfte, weil Klügel nicht Geologe ist: Er hat in den siebziger Jahren in Moskau Kerntechnik studiert, in den neunziger Jahren war er bei der Atomaufsichtsbehörde HSK angestellt.
Wie rechnet man die Gefahr klein?
Der Disput ging im Fachmagazin noch weiter. In der Schweiz machte hinter den Kulissen die Lobbyorganisation Swissnuclear Druck, weil ihr die Pegasos-Resultate nicht gefielen. Und die HSK gab nach: 2007 reduzierte sie den umstrittenen Wert um rund zwanzig Prozent.
An dieser Stelle sei auch auf den Artikel „Amtlich bewilligte Trickserei bei AKW-Erdbebensicherheit“ verwiesen, welcher die zwielichtigen Details dieser erlaubten Reduktion beleuchtet.
Gleichzeitig durfte Swissnuclear das «Pegasos-Verfeinerungs-Projekt» starten und hat dabei klammheimlich den Wert nochmals um rund zwanzig Prozent reduziert – so kommt man von 0,39 auf 0,24 g.
Was hier etwas verkürzt dargestellt ist, beschreibt mein Bericht im Detail. Die Kritik bezieht sich dabei primär auf die endlose Verzögerung (Nichtanwendung der Original PEGASOS-Erkenntnisse) sowie auf das qualitativ fragwürdige Zwischenresultat, welches nun zur Anwendung kommt.
Die praktisch vollständige Intransparenz bei der ganzen PEGASOS Geschichte trägt das ihre dazu bei, dass keinerlei Vertrauen in das von der swissnuclear geleitete Projekt zu rechtfertigen ist. Meine Anfragen (am Schluss als eingeschriebener Brief) wurden von der swissnuclear systematisch nicht beantwortet.
Seit Frau Boos ihren Artikel veröffentlich hat, tut sich nun freilich etwas in Sachen Transparenz. Die swissnuclear hat angekündigt, den Original PEGASOS Bericht von 2004 endlich zu veröffentlichen.
Swissnuclear ist eine Fachgruppe von Swisselectric, einem Verein, der den Schweizer AKW-Betreibern gehört (Axpo, BKW, Alpiq et cetera). Philipp Hänggi leitet die Fachgruppe. Er will aber nicht sagen, wer die Fachleute sind, die die neue Erdbebenstudie machen. Auch will er nicht sagen, über welches Budget Swissnuclear verfügt.
Ursprünglich ging die Atomaufsichtsbehörde davon aus, dass die von Swissnuclear überarbeitete Erdbebenanalyse Ende 2007 fertig sei. Laut Hänggi wird sie aber erst Anfang 2013 publiziert.
Die Information, dass das Pegasos Refinement eigentlich schon 2007 hätte fertig sein sollen, war übrigens im selben Brief enthalten, welcher auch die „amtlich bewilligte Trickserei“ enthüllte.
Das Ensi bescheinigt also den AKWs Erdbebensicherheit, bevor die Analysen vorliegen und debattiert werden können. Zudem lässt das Ensi zu, dass die unabhängige Studie von der AKW-Industrie selber schöngerechnet wird – mit der Begründung, laut Schweizer Gesetz müsse «der Betreiber die Sicherheit nachweisen, die Aufsichtsbehörde prüfen». Doch am Ende erfährt man nicht einmal, wer was gerechnet hat.
Das Zwischenresulat aus dem PEGASOS-Refinement Project, welches bei den aktuellen Sicherheitnachweisen eingesetzt wurde, hat nach meiner Einschätzung keinerlei Berechtigung als SSHAC Level 4 Resultat bezeichnet zu werden.
Ob das finale PEGASOS Refinement Project jemals dieses Gütesiegel verdient, ob dessen Resultat nun nach 14 Jahren tatsächlich bald vorliegt, ob es dann auch zügig und unverfälscht zur Anwendung gebracht wird, ist derzeit in keiner Weise absehbar. Alle bisherigen Erfahrungen sprechen deutlich dagegen.
Markus Kühni stellt fest: «Gegen die Interessen der AKW-Lobby kann man in der Schweiz selbst Erkenntnisse hochkarätiger Wissenschaftler nicht zur Anwendung bringen.»
Dazu bleibt noch anzumerken, dass es genau dieser Vorgang war, der die Katastrophe von Fuksuhima verursachte.
Die PEGASOS Legende (öffentliche Version)
ENSI Weisungen PEGASOS (Brief, der die „amtlich bewilligte Trickserei„belegt)
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