Dialog mit ENSI-Rat auf absehbare Zeit gescheitert?

An der Veranstaltung „Wer schützt uns vor dem Super-GAU“ der Schweizerischen Energiestiftung SES hat Frau Dr. Anne Eckhardt als Präsidentin des ENSI-Rates ihre Vision einer „starken Aufsicht“ präsentiert und sich den kritischen Fragen des Publikums gestellt. Auch beim anschliessenden Apéro stand sie noch bis zum Schluss für individuelle, durchaus harte Diskussionen zur Verfügung. Damit hat sie meinen Respekt verdient.

Auch ich suchte natürlich den Kontakt zu Frau Eckhardt. Ich hatte ja schon mit dem ENSI-Rat korrespondiert, aber noch nie jemanden persönlich getroffen. Nach einem interessanten Gedankenaustausch über die eigentlich hilfreiche Rolle von Kritikern bei einer echt sicherheitsgerichteten Aufsichtstätigkeit lud mich Frau Eckhardt spontan zu einem vertieften Gespräch ein, was ich gerne annahm.

Nachdem wir per E-Mail einige Themenvorschläge ausgetauscht hatten, vereinbarten wir vorerst Vertraulichkeit hinsichtlich der „Inhalte des Gesprächs“. Die Teilnehmer sollten ungezwungen diskutieren können.

Am 15. Mai traf ich mich mit einer Delegation des ENSI-Rats im ENSI-Gebäude in Brugg: Frau Dr. Anne Eckhardt, Präsidentin, Herr Dr. Hans-Jürgen Pfeiffer, Mitglied und Frau Dr. Raffaella Perego, Fachsekretärin des ENSI-Rates.

Ich hatte mich gut vorbereitet und meine wichtigsten Anliegen und Fragen in einer Präsentation dargelegt. Dabei wurden nur allgemeingültige Fragen diskutiert, keine einzelnen AKW oder gar spezifische Technikfragen. Das Gespräch war sehr ernsthaft aber angenehm. Wegen der vereinbarten Vertraulichkeit will ich nicht spezifischer werden, darf aber wohl sagen, dass die Präsentation Eindruck gemacht hat.

Da an der Sitzung keines meiner Anliegen entkräftet oder beantwortet werden konnte, die Argumente aber offenbar ankamen, wurde mir ein ernsthaftes Nachverfolgen der Themen versprochen. Was mein Vetrauen in diese Absicht besonders stützte, war das spontane In-Aussicht-Stellen einer schriftlichen Stellungnahme in diesem Sinne.

Am 6. Juni trafen wir uns erneut, diesmal in Bern. In der Zwischenzeit war der Gesamt-ENSI-Rat über die Inhalte der Diskussion informiert worden. Scheinbar hatte auch das Plenum die Fragen ernsthaft aufgenommen. Mir wurde aber auch einleuchtend erklärt, dass die Abklärungen zu den genannten Anliegen nach nur drei Wochen noch nicht einen Stand erreicht hatten, der bereits eine schriftliche Stellungnahme des ENSI-Rats ermöglichte.

Ein nächster Termin für eine entsprechende Erklärung wurde mit Verweis auf andere wichtige Geschäfte an ENSI-Rats-Sitzungen nochmals verschoben. Ich nahm meine Antwort zum Anlass klarzustellen, welche minimalen „handfesten“ Absichtserklärungen des ENSI-Rates ich erwartete. Kurz zuvor war Marcos Buser aus der KNS zurückgetreten und beklagte „Filz“ bei ENSI, BFE und NAGRA. Ich äusserte entsprechende Bedenken hinsichtlich des „Überlebens“ unseres Dialogs in diesem Umfeld. Frau Eckhardt antwortete verständnisvoll, aber auch erfreulich resolut zur Rolle des ENSI-Rates innerhalb des ENSI.

Leider verstrich dann auch der nächste Termin ohne Ergebnis und schliesslich musste ich nach meinen Ferien einen Brief vom 12. Juli zur Kenntnis nehmen, der nun plötzlich das laufende Gerichtsverfahren zum AKW Mühleberg als Begründung dafür nannte, dass sich der ENSI-Rat nicht „inhaltlich dazu äussern“ könne.

In meinem Antwortschreiben bekundete ich mein Bedauern über diese Nicht-Stellungnahme des ENSI-Rates und stellte dar, wie das ganze Vorgehen gerade im Kontext des angeführten Gerichtsfalls von aussen wahrgenommen wird.


[Einfügung vom 23.8.2012 – Nach Rückmeldungen von LeserInnen muss ich mich hier genauer erklären]

An dieser Stelle sei erwähnt, dass der Dialog nicht nur Chancen, sondern auch Risiken birgt. Sobald man mit Exponenten einer kritisierten Behörde Gespräche aufnimmt, wird man wohl oder übel auch eingebunden. Man deponiert kritische Fragen und muss dann der Behörde die Zeit und Gelegenheit geben, darauf zu reagieren. Das gilt umso mehr dann, wenn die Gesprächspartner offen und seriös auf diese Kritik eingehen (wie sie es getan haben). Man muss nun seine Anliegen zurückbehalten bzw. darf sie nicht an die Öffentlichkeit tragen, damit die Behörde eine faire Chance hat, selber aktiv zu werden.

Genau das wäre ja Sinn und Zweck des Dialogs. Eine ideale Aufsichtsbehörde betrachtet sachliche Kritiker nicht als Gegner, sondern als Lieferanten wertvoller Hinweise für eine echt sicherheitsgerichtete Aufsicht. Gerade im Vorfeld einer Überprüfung/Stellungnahme, sollte die Behörde besonders empfänglich sein. Das öffentlich nachvollziehbare Aufnehmen und seriöse, ergebnisoffene Abklären von kritischen Fragen — inkl. ebenso offener Nachfolgediskussion — würde das Vertrauen in die Behörde stärken, wie sonst kaum etwas.

Leider gibt es aber auch ein Missbrauchspotenzial. Man kann Kritiker mundtot machen, indem man sie einbindet, ihre Kritik scheinbar aufnimmt und sie dann „ewig“ hinhält. Selbst wenn man den persönlich kontaktierten Exponenten und ihren Absichten voll vertraut (das tue ich), gibt es die Gefahr des „good cop, bad cop„-Spiels. Eine sattelfeste Mehrheit von Behördenmitgliedern (die den Dialog mit Kritikern grundsätzlich ablehnt), könnte die wohlmeinende Exponenten vorerst gewähren zu lassen, um die erwünschte Hinhaltetaktik zu verwirklichen. Erst wenn verbindliche Schritte anstehen, wird unverzüglich ein Riegel geschoben. Ein „hängiges Gerichtsverfahren“ findet sich immer als Ausrede.

Ein Ereignis wie Fukushima verblasst in der öffentlichen Wahrnehmung schnell. Jeder Monat des Hinhaltens zählt. Solange kann der vermeintliche Dialog zudem als  „Feigenblatt“ dafür dienen, man nehme Kritik (und Kritiker) nachweislich ernst.

Aus diesen Gründen habe ich mir schon vor der dem ersten Gespräch selber eine Erfolgskontrolle mit folgendem Kriterium auferlegt: Können die Anliegen nicht direkt entkräftet werden, muss sich die Behörde innert nützlicher Frist schriftlich zu deren Abklärung bekennen. Wohlgemerkt: nicht etwa schon zu einem Ergebnis, sondern nur zur seriösen Abklärung. Vorzugsweise mit Nennung einer Frist.

Das Erfolgskriterium wurde nun nach wiederholter Verschiebung (zuletzt auf unbestimmte Zeit) nicht erfüllt. Dabei sei noch erwähnt, dass nicht ich die Fristen vorgegeben hatte, sondern der ENSI-Rat selber. Trotzdem: was nicht ist, kann noch werden. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

Für den Moment sieht es anders aus. Ich möchte meine Erfolgskontrolle nicht bei der ersten Gelegenheit fallen lassen.


Schliesslich musste ich also die Konsequenzen ziehen:

Auch für die Zukunft sehe ich beim besten Willen keine Perspektive. Es liegt in der Natur der Sache, dass im Umfeld von umstrittenen „Gegenständen“ immer wieder und teils überlappend rechtliche Verfahren am Laufen sind. Wenn eine Behörde den kritischen Dialog mit Verweis auf solche laufenden Verfahren pauschal verweigert, dann brauchen wir uns nicht weiter zu bemühen.

Ich habe kein Interesse daran, ausschliesslich über Themen zu sprechen, die sich rechtlicher Belanglosigkeit und Unverbindlichkeit erfreuen oder aber eigene Beweggründe und Argumente auf den Tisch zu bringen, nur um dann festzustellen, dass der „Dialog“ zur Einbahnstrasse verkümmert, sobald sich Argumente als wasserdicht und rechtlich relevant erweisen.

Ich bedaure diese Entwicklung sehr. Manche haben es ja „kommen sehen“. Trotzdem bereue ich es nicht, den Dialog versucht zu haben. Wenn sich gewisse „Dinge“ im ENSI geändert haben, werde ich es vielleicht erneut versuchen.

 Brief des ENSI-Rates vom 12. Juli 2012 – Nicht-Stellungnahme

Antwort auf Nicht-Stellungnahme des ENSI-Rates

 


[Nachtrag vom 23.8.2012]

Nach dem Erhalt meines Briefes hat der ENSI-Rat sich bei mir gemeldet und den Sachverhalt relativiert. Ich habe mir deshalb erlaubt, den Titel des Artikels nachträglich mit einem Fragezeichen zu versehen und die obenstehende erklärende Einfügung vorzunehmen.

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