Containment-Druckentlastung KKM und andere Fragen

Rückblick vom Mai 2012:

Am 1. März 2012 hat das ENSI die Ergebnisse seiner Schwerpunktinspektion zu den Containment-Druckentlastungen veröffentlicht.

Mit Erstaunen habe ich festgestellt, dass zwar bei den AKW Gösgen und Leibstadt die Erdbebenfestigkeit der Containment-Druckentlastung in Frage gestellt wird, nicht jedoch beim AKW Mühleberg. Das ENSI schreibt:

Die Stresstest-Untersuchungen haben gezeigt, dass die Venting-Systeme in den Kernkraftwerken Gösgen und Leibstadt eine geringere Erdbebenfestigkeit aufweisen als die zugehörigen Containments. Das ENSI hat deshalb die beiden Werke am 10. Januar 2012 mit Verfügungen verpflichtet, die Erdbebenfestigkeit des Venting-Systems zu überprüfen und die Ergebnisse der Überprüfung dem ENSI bis zum 30. September 2012 einzureichen. Bis 31. Dezember 2012 sind Massnahmen zur Verbesserungen der Erdbebenfestigkeit des Druckentlastungsystems vorzuschlagen.

In meinem darauf folgenden Brief Containment-Druckentlastung KKM und andere Fragen ans ENSI stelle ich mich auf den Standpunkt, dass eine gefilterte Druckentlastung erst dann zu Ende gedacht ist, wenn die gefilterten Abgase ohne weitere Probleme den Kamin verlassen haben:

Das Containment-Druckentlastungs-System (CDS) im KKM führt zur Filterung (und zum teilweisen Druckabbau durch Kondensation von Dampf) in die Wasservorlage des äusseren Torus. Damit ist das Venting aber noch nicht abgeschlossen. Sämtliche nichtkondensierbaren Gase, also auch die brennbaren Gase wie Wasserstoff und Kohlenmonoxid, müssen weiter abgeführt werden.

Ich verweise also auf den gefährlichen Wasserstoff, welcher in Fukushima zu den gewaltigen Explosionen geführt hat. Solcher Wasserstoff wird bei einer Überhitzung der Brennstabhüllrohre im Reaktor gebildet. In Unfallszenarien, wo eine Containment-Druckentlastung nötig wird, muss man auch mit einer solchen Wasserstoffbildung rechnen.

Wenn sich Wasserstoff mit Luftsauerstoff mischt, entsteht das explosive Knallgas. Im AKW Mühleberg geschieht dies im äusseren Torus (siehe Brief). Es ist also sehr wichtig, dass dieses Knallgas ohne Kontakt mit Zündquellen abgeführt wird.

Die Containment-Druckentlastung des KKM führt vom äusseren Torus durch einen Schacht an der Aussenwand des Reaktorgebäudes bis auf +8m, dann über die sogenannte „Transportbrücke“ zum Aufbereitungsgebäude und schliesslich über eine weitere Brücke vom Dach des Aufbereitungsgebäudes zum Hochkamin.

Damit komme ich zum eigentlichen Problem:

Zentraler Grund dieses Briefes ist die Tatsache, dass das KKM das Aufbereitungsgebäude in der Periodischen Sicherheitsüberprüfung (PSÜ) 2000 nicht mehr für das damalige SSE qualifizieren konnte und deshalb eine Rückklassierung in die Erdbebenklasse II vornehmen musste.

Anmerkung: SSE bedeutet „Safe Shutdown Earthquake“ und bezeichnet das Auslegungserdbeben, welches ein AKW gesetzlich verkraften können muss.

Es sei erwähnt, dass damals Erdstösse bis 0.15g für das SSE angenommen wurden. Gemäss heutigem Wissenstand zur Erdbebengefährdung muss mit rund dem Doppelten gerechnet werden.

Das AKW Mühleberg musste also im Jahr 2000 eingestehen, dass das Aufbereitungsgebäude nicht einmal das alte Auslegungserdbeben von 1977 verkraften könnte. Daher ist natürlich auch der Abgaskanal der Containment-Druckentlastung offiziell nicht erdbebensicher.

Ich stelle dem ENSI schliesslich zehn eher rhetorische Fragen zu diesem Widerspruch. Beispiele:

5. Kann KKM sicherstellen, dass die Containment-Entlastung funktioniert, wenn der Abgabepfad infolge Einsturzes des Aufbereitungsgebäudes zerstört wurde?

6. Kann KKM eine Zündung der explosiven Gase (auch bei Nachbeben) ausschliessen, wenn der Abgabepfad infolge Einsturzes des Aufbereitungsgebäudes zerstört wurde?

Zusätzlich füge ich fünf weitere Fragen zum fragwürdigen Vorgang der erlaubten Rückklassierung dieses wichtigen Gebäudes an. Beispiel:

11. Kann KKM die Integrität des Sekundär-Containments (Reaktorgebäudehülle) sicherstellen, wenn die Transportbrücke infolge Einsturzes des Aufbereitungsgebäudes abgerissen wird?

Anmerkung: die Transportbrücke ist gemäss Sicherheitsbericht geschlossen in Stahlbeton gemauert und hat auf Grund ihrer Trapezform beim Aufbereitungsgebäudes die breitere Verbindung, sie wird also eher beim Reaktorgebäude abgerissen (siehe Fig. 5). Weitere Schäden sind beim Aushebeln und Abgleiten der Brücke zu befürchten.

Fazit: Das AKW Mühleberg verliert bereits im Auslegungserdbeben sein Sekundärcontainment. Das Sekundärcontainment gilt als eines der wichtigsten Sicherheitsmerkmale und wird traditionell als erstrangige Begründung dafür vorgeschoben, AKW an bevölkerungsreichen Standorten (wie in der Schweiz) bauen zu dürfen.

Brief Containment-Druckentlastung KKM und andere Fragen

 


 

Nachtrag [verfasst am 8. August 2012]:

Das ENSI hat am 23. April 2012 mit einem knappen Fünfzeiler geantwortet.

Wir haben Ihr Schreiben vom 5. März 2012 mit Fragen zum Kernkraftwerk Mühleberg erhalten. Die angesprochenen Aspekte werden im Rahmen laufender und geplanter Überprüfungen bearbeitet, wie dies beispielsweise im Aktionsplan Fukushima 2012, den Sie auf unserer Website www.ensi.ch finden, festgehalten ist. Über die Ergebnisse werden wir wie üblich zu gegebener Zeit die Öffentlichkeit informieren.

Die Aspekte werden jedoch weder im inzwischen publizierte Erdbebennachweis behandelt, noch sind im angesprochenen Aktionsplan offene Punkte zur Wasserstoffproblematik enthalten, die nicht ausdrücklich auf die Brennelementbecken bezogen sind.

Antwort Containment-Druckentlastung KKM und andere Fragen

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