Der Bund: „Der Kanton Bern ist schlecht auf AKW-Unfall vorbereitet“

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Der Bund bringt zwei lesenswerte Artikel über die Vorbereitung für den Nuklearen Notfall im Kanton Bern (von Simon Thönen):

Neu müssen die kantonalen Behörden die Evakuierung der Zone 2 so vorbereiten, dass sie umgesetzt werden könnte, falls der Bundesrat sie im Notfall anordnen sollte. Dazu sind sie aber noch nicht in der Lage, wie Nachfragen bei den drei AKW-Standortkantonen zeigen. Der Kanton Bern hat bereits angekündigt, dass er die neue Aufgabe nur sehr partiell umsetzen will.

Bis Ende 2017 will er ein Konzept zur Evakuierung «von Teilen der Zone 2 (Richtgrösse 30’000 Einwohner)» vorlegen. Das bedeutet: Der Grossraum Bern, in dem rund eine Viertelmillion Menschen leben, soll nicht evakuiert werden. Der Kanton spielt auf Zeit, bis Mühleberg 2019 vom Netz geht.

Ablöschend auch die Aussage aus dem Kanton Solothurn:

Solothurn wolle die Evakuierung der Zonen 1 und 2 um das AKW Gösgen bis Ende 2016 respektive Mitte 2017 planen, sagt Diego Ochsner, Chef des Amtes für Militär und Bevölkerungsschutz.

[…] Ochsner verhehlt seine Skepsis nicht. Schon zur Evakuation der Zone 1 um Gösgen – hier wohnen 30’000 Menschen – seien «enorme Transportkapazitäten nötig». Erst recht gelte dies für die Zone 2 mit über 400’000 Einwohnern. «Beim öffentlichen Verkehr stellt sich zudem die Frage, ob die Fahrer bei einem KKW-Unfall überhaupt zur Arbeit erscheinen würden.» Auf der Strasse bestehe das Risiko, «dass eine Evakuierung zum Zusammenbruch des Verkehrs führt. Im dümmsten Fall stehen die Menschen schutzlos im Stau, wenn die radioaktive Wolke kommt.»

Der zweite Artikel zeigt, dass man wenig aus Fukushima gelernt hat:

Einwohner aus der Alarmzone 1 würden im Notfall im Aufnahmezentrum Schwarzenburg einquartiert. Doch die Gemeinde liegt ebenfalls in einer AKW-Alarmzone.

[..]

Woher weht der Wind?

Der Standort hat allerdings einen Haken: Schwarzenburg liegt in der Alarmzone 2 um das AKW Mühleberg. Je nach Windrichtung müsste die Gemeinde ebenfalls evakuiert werden. Dies zumindest sieht das Notfallschutzkonzept des Bundes von 2015 vor. Warum also Schwarzenburg? «Die Hauptwindrichtung von Mühleberg aus tangiert Schwarzenburg wenig, und die Anlagen sind verkehrsgünstig gelegen», sagt Zellmeyer.

Nach Fukushima hat die Parlamentarische Untersuchungskommission folgendes festgestellt (Kapitel 4.2, Seite 6; deutsche Übersetzung unten):

The evacuation zone, originally designated as an area within a 3km radius from the power plant, was expanded to a 10km radius, and then again to a 20km radius by the day following the accident. Each time the evacuation zone changed, the residents were forced to relocate to other evacuation shelters, increasing their stress. Some evacuees unknowingly evacuated to areas that were later found to have high doses of radiation.

[eigene Übersetzung]
Die Evakuierungszone, zunächst festgelegt als eine Zone innerhalb eines 3km Radius um das Kraftwerk, wurde erweitert auf einen 10km Radius, und dann nochmals auf einen 20km Radius am Tag nach dem Unfall. Jedes Mal wenn die Evakuierungszone änderte, wurden die Evakuierten gezwungen, sich in andere Evakuierungsunterkünfte zu begeben, was ihren Stress erhöhte. Einige Betroffene evakuierten unwissend in Zonen mit hohen Strahlendosen, wie sich später herausstellte.

Drei Tage später wurden die Bewohner der Zone zwischen 20km und 30km nochmals zur „freiwilligen“ Evakuierung aufgerufen. Sektorweise (abhängig von der Kontamination bzw. Windrichtung und Regenfall) wurde bis auf 50km evakuiert!

Man dürfte erwarten, dass unsere Behörden solche „Lektionen“ zur Kenntnis genommen haben und die Evakuierten von Anfang an in weit entfernte Gebiete leitet. Das scheint indes nicht der Fall zu sein.

Zur Illustration zeigt die folgende Grafik die Bevölkerung der Gemeinden und Radien 30km und 50km d.h. die tatsächlichen Evakuierungsdistanzen in Fukushima:

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Der Artikel führt weiter aus:

Immerhin sollen nun weitere Aufnahmezentren im Kanton vorbereitet werden – in allen zehn Verwaltungskreisen.

Offenbar soll nun jeder Kanton innerhalb seines Gebietes Unterkünfte finden. Ob Kantönligeist bei der Bewältigung einer Nuklearkatastrophe wirklich Sinn macht?

Für mich als Einwohner der Stadt Bern ist die Perspektive düster:

… in einer der Hauptwindrichtungen ab Mühleberg liegen Bern und seine Vororte in der Alarmzone 2. Der Kanton hat aber bereits angekündigt, dass er die Evakuierung des Grossraums Bern nicht vorbereiten will. Bis Ende 2017 will er lediglich in der Lage sein, 30’000 Menschen aus der Alarmzone 2 zu evakuieren. Eine zu geringe Kapazität für den Grossraum Bern …

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Quelle: MeteoSchweiz, 2003

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