Der Bund: „Expertenkritik an Mühleberg häuft sich“

Rückblick vom Mai 2012:

In seiner Berichterstattung vom 7.9.2011 geht Der Bund unter anderem Hinweisen einer Vorabversion meines Berichts „Hochwassernachweis AKW Mühleberg – Eine kritische Beurteilung“ zur Berechnung des „mutmasslich maximalen Niederschlags“ nach und befragt Dietmar Grebner, den leitenden Autor der Studie “Flächen-Mengen-Dauer-Beziehungen von Starkniederschlägen und mögliche Niederschlagsgrenzwerte im Raum Schweiz“, welche die BKW für ihre Hochwasserberechnung benutzte. Von Simon Thönen:

Für den Standort Mühleberg hat die Betreiberin BKW «ein mutmasslich grösstes Hochwasser» berechnet. Eine massgebende Grösse dabei ist der «mutmasslich höchste Niederschlag». Für das Einzugsgebiet der Aare nimmt die BKW «ein zweitägiges (48-stündiges) Niederschlagsereignis mit einem ganzflächigen Blockniederschlag von 250 Millimetern» an. Die BKW stützt sich dabei auf die Studie «Flächen-Mengen-Dauer-Beziehungen von Starkniederschlägen und mögliche Niederschlagsgrenzwerte in der Schweiz» von 1998.

Auf Anfrage des «Bund» erklärte Dietmar Grebner, der leitende Autor der Niederschlagsstudie, die Anwendung des Grenzwertes als korrekt. Er kritisierte allerdings die Beschränkung auf 48 Stunden. «Es ist unbestritten und zu berücksichtigen, dass es Starkniederschlagsphasen über 48 Stunden Dauer geben kann», sagte der inzwischen pensionierte Lehrbeauftragte der ETH Zürich, der als Kapazität für sein Fachgebiet gilt. «Unsere Studie ermittelt, wie hoch Niederschlagsmengen während einer gewissen Dauer in einem gewissen Gebiet der Schweiz ausfallen würden», erklärte Grebner.

Die Studie wurde mit Niederschlagsereignissen von 3, 24 und 48 Stunden berechnet, weil dafür eine solide Datenbasis vorhanden war. «Die Beschränkung auf bis zu 48 Stunden war datentechnisch erforderlich», sagte Grebner. «Sie ist nicht ein Untersuchungsergebnis über die Niederschlagsdauer. Für die Anforderungen der BKW müssten noch Grenzwerte für längere Dauern erarbeitet werden.»

Interessant ist dabei übrigens auch, dass sich das ENSI ganz offensichtlich bewusst war, dass die Annahme von zwei Tagen nicht belastbar ist. In seinem Gutachten des ENSI zum Rahmenbewilligungsgesuch der EKKM AG (Seite 91) schreibt es unter dem Titel „Beurteilung des ENSI“ schlaumeierisch:

Die vom Gesuchsteller herangezogenen Untersuchungen zu Flächen-Mengen-Dauer-Beziehungen von Starkniederschlägen in der Schweiz [64] stellen eine geeignete Grundlage für die Abschätzung des PMP dar. Das unterstellte 2-tägige Niederschlagsereignis mit einem ganzflächigen Blockniederschlag von 250 mm für das gesamte Aare-Einzugsgebiet entspricht dem PMP in dieser Region für die genannte Zeitdauer.

[Hervorhebung nicht im Original]

Das ENSI behauptet also gar nicht, dass dies der „mutmasslich höchste Niederschlag“ überhaupt, sondern eben nur „für die genannte Zeitdauer“ ist.

Dazu muss man aber auch den Kontext betrachten: für das neue Ersatz-AKW wird der vollständige Bruch der Wohlenseestaumauer veranschlagt (für das alte bekanntlich nicht), daher ist beim EKKM die Überflutung durch den Dammbruch das dominierende Ereignis, weshalb sich nach dem Prinzip des „abdeckenden Spektrums von Störfällen“ (vgl. auch ENSI-A01, Kap. 4.2.1) eine vertiefte Überprüfung des PMP beim Rahmenbewilligungsgesuch des EKKM erübrigte.

Der beim Bruch der Wohlenseemauer maximal zu erwartende Pegelstand von 474,20 m ü. M. ist plausibel und zeigt, dass dieser Bruch die Auswirkungen eines natürlich bedingten Hochwassers sowie der Einzelbrüche von Staumauern der Saane bei Weitem dominiert.

Selbstverständlich hindert dies das ENSI keinen Moment daran, das PMP des EKKM-SIcherheitsberichts aus dem Kontext zu reissen und für die Fukushima-Überprüfung vorzuschreiben:

3.2 Hochwasser

Der deterministische Nachweis für die zur Beherrschung des 10 000-jährlichen Hochwassers ist basierend auf den für die Rahmenbewilligungsgesuche neu bestimmten Hochwassergefährdungen (unter Berücksichtigung der  ENSI-Forderungen aus den entsprechenden Gutachten) bis zum 30. Juni 2011 zu führen.

Eine fundierte Kritik daran, kann man meinem „Brief vom 26.9.2011 an ENSI-Rat und Kommission für Nukleare Sicherheit (KNS)“ entnehmen.

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