Kurz vorgestellt: Pressure-Suppression Containments – Das Hanauer Memo

Hanauer Memo

Spätestens 1971 wurden die Sicherheitsprobleme des sogenannten Mark I Containments und anderer „Pressure-Suppression Containments“ erkannt. Diese Containments sind u.a. beim AKW Mühleberg sowie bei den Fukushima-Unfallreaktoren verbaut.

Damals machte Dr. Stephen Hanauer in der US-amerikanischen Atomaufsichtsbehörde AEC am 20.9.1972 einen Vorstoss, um die Lizenzierung solcher Containments künftig zu unterbinden.

Recent events have highlighted the safety disadvantages of pressure-suppression containments. While they also have some safety advantages, on balance I believe the disadvantages are preponderant. I recommend that the AEC adopt a policy of discouraging further use of pressure-suppression containments, and that such designs not be accepted for construction permits filed after a date to be decided (say two years after the policy is adopted).

Ereignisse der letzten Zeit haben die Sicherheits-Nachteile von Pressure-Suppression Containments hervorgehoben. Während diese auch einige Sicherheits-Vorteile aufweisen, so glaube ich doch, dass unter dem Strich die Nachteile überwiegen. Ich empfehle, dass die AEC den Grundsatz aufnimmt, vom weiteren Einsatz von Pressure Suppression Containments abzuraten und solche Designs bei Baubewilligungen, die nach einem noch zu entscheidenden Datum eingereicht wurden (sagen wir zwei Jahre nach Einführung des Grundsatzes) nicht mehr zu akzeptieren.

Fünf Tage später würgte sein Chef, Joseph Hendrie, den Vorstoss ab, weil er „gut das Ende der Atomkraft bedeuten könnte“ und „allenortens mehr Aufruhr erzeugen würde, als ich ertragen kann, mir vorzustellen.“

With regard to the attached, Steve’s idea to ban pressure suppression containment schemes is an attractive one in some ways. Dry containments have the notable advantage of brute simplicity in dealing with a primary blowdown and are thereby free of the perils of bypass leakage.

However the acceptance of pressure suppression containment concepts by all elements of the nuclear field, including Regulatory and ACRS, is firmly imbedded in the conventional wisdom. Reversal of this hallowed policy, particularly at this time, could well be the end of nuclear power. It would throw into question the continued operation of licensed plants, could make unlicensable the GE and Westinghouse ice condenser plants now in review, and would generally create more turmoil than I can stand thinking about.

Mit Blick auf die Beilage, ist Steves Idee attraktiv, Pressure-Suppression Containments zu verbieten. Trockene Containments haben den sichtlichen Vorteil der rustikalen Einfachheit beim Beherrschen eines primären Abblasens und sind dadurch frei von den Gefahren einer Bypass-Leckage [Begriffserklärung siehe weiter unten].

Allerdings ist die Akzeptanz der Pressure-Suppression Containments durch alle Instanzen des nuklearen Fachbereichs, inklusive der Aufsichtsbehörde und der ACRS, bereits fest in den Köpfen der Leute verankert. Eine Abkehr von diesem geheiligten Grundsatz könnte — besonders zum jetzigen Zeitpunkt — gut das Ende der Atomkraft bedeuten. Es würde den Weiterbetrieb bereits bewilligter Anlagen in Frage stellen, könnte die Bewilligung der GE und Westinghouse „ice condenser“ Anlagen verhindern, die im Moment in der Prüfung sind und würde allenortens mehr Aufruhr erzeugen, als ich ertragen kann, mir vorzustellen.

Dieser Fall illustriert also nicht nur konkrete Sicherheitsmängel bei den Pressure-Suppression Containments, sondern zeigt auch archetypisch die Denkweise in der Chefetage der nuklearen Aufsicht auf.

Dokumente:

Quelle: NIRS (mit sorgfältig nachbearbeiteter Texterkennung).

Hintergrund

Pressure Suppression Containment
Bildausschnitt: The World’s Reactors, No. 40, Oyster Creek, New Jersey, USA, Nuclear Engineering International magazine.

Das Bild zeigt das Pressure Suppression Containment „General Electric Mark I“, wie in Mühleberg/Fukushima verbaut. Der Dampf, welcher bei einem Störfall ins Containment (30) entweicht, soll über die Überstromrohre (33) in den Verteiler (35) und über die Düsen (36) tief in die Wasservorlage (37) strömen und dort vom kühlen Wasser kondensiert werden.

Das funktioniert aber nur, wenn ein genügend grosser Überdruck vom zentralen Teil des Containments, dem sogenannten Drywell (30) zum Torus (38) besteht, damit Dampf und Gase ins Wasser gedrückt werden. Beim Abblasen werden jedoch auch nicht-kondensierbare Gase aus der Containment-Atmosphäre mitgeführt (Stickstoff, Wasserstoff, etc.) die in Blasen in die Torus-Atmosphäre aufsteigen, sodass auch dort der Druck laufend steigt. Nach dem Ende des Abblasvorgangs kondensiert der Dampf langsam auch im Drywell (an den kühleren Wänden) so dass schliesslich sogar ein Unterdruck im Drywell entstehen kann. Ein nächstes Abblasen würde nicht mehr funktionieren.

Der Unterdruck muss deshalb gebrochen werden, wofür die Vakuumbrecher (34) dienen. Deren Rückschlagklappe kann jedoch geöffnet klemmen bleiben, wodurch ein sogenanntes Bypass-Leck entsteht. Beim nächsten Abblasen ginge der Dampf direkt über den Vakuumbrecher, statt durch die Düsen unter Wasser (36) und würde nicht mehr kondensiert.

Solches „geöffnet klemmen bleiben“ von Ventilen und Klappen passierte in der Praxis erschreckend oft und diese Erkenntnisse (siehe Beilage des Memos) waren mit Auslöser des Hanauer-Memos (und sieben Jahre später des Three Mile Island Unfalls — wenn auch bei einem ganz anderen Ventil).

Das Pressure-Suppression Prinzip hat noch weitere Probleme:

Wenn das Wasser im Torus (37) einige Zeit nicht mehr gekühlt werden kann, verliert es graduell seine kondensierende Wirkung. Der Druck im Containment steigt und steigt. Dasselbe gilt, wenn grosse Mengen nicht-kondensierbare Gase anfallen. Dies passiert zum Beispiel, wenn die Brennstäbe nicht mehr ausreichend mit Wasser bedeckt sind und eine chemische Wasser-Metall-Reaktion an den überhitzten und freigelegten Hüllrohren Wasserstoff (und weitere Wärme) in grossen Mengen erzeugt.

In Fukushima sind mindestens die beiden letztgenannten Probleme aufgetreten. Und zwar in allen drei Blöcken. Damit wurde die 40 Jahre lang vermutete, aber brüsk vom Tisch gewischte mangelhafte Robustheit dieses Containment-Prinzips gleich dreifach bewiesen. Dies, obwohl man in der Zwischenzeit sogar noch sogenannte Containment-Druckentlastungen eingebaut hatte, womit im absoluten Notfall Gase und Dampf aus dem Containment in die Umgebung abgeblasen werden kann.

Zum Vergleich: ein trockenes Containment (wie von Hanauer gefordert) muss vom Volumen her gross genug sein, um den gesamten Dampf, sowie die nicht-kondensierbaren Gase aufzufangen, ohne dass der Druck unzulässig steigt. Solche passive Sicherheit hat dann auch mehr Reserven ggü. unvorhergesehenen Phänomenen. Derartige trockene Containments (auch Volldruck-Containments genannt) sind entsprechend riesig und teuer.

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