AKW Mühleberg: UVEK erlässt Stilllegungsverfügung

Das UVEK hat die Stilllegungsverfügung für das AKW Mühleberg erlassen. Als Anwohner haben wir bekanntlich Mitsprache im Verfahren genommen. Inhaltlich sind 9 von 14 unserer Anliegen (darunter die Wichtigsten) als ganz oder in wesentlichen Punkten erfüllt bezeichnet und festgehalten worden. Das UVEK hat das Stilllegungsverfahren zweigeteilt, die BKW muss in zehn Jahren ein zweites Stilllegungsprojekt über den Rückbau zur „grünen“ oder „braunen Wiese“ öffentlich auflegen.

Einleitend sei nochmals die Freude daran ausgedrückt, dass es mit diesem leidigen Kapitel AKW Mühleberg nun bald zu Ende geht!

Natürlich ist es uns berufstätigen Privatpersonen nicht möglich die 140-seitige Verfügung abschliessend zu würdigen. Immerhin lässt sich vorläufig folgendes zu den wichtigsten Punkten sagen.

Keine wesentlichen Abweichungen von den Sicherheitszusicherungen der Bewilligung

Inhaltlich konnten die mit Abstand wichtigsten Anliegen unserer Einsprache verbindlich gemacht werden, wo es darum geht, sicherheitstechnisch bedeutsame Anlageteile nicht zu früh abzubrechen.

Teilweise wollte das ENSI unsere sicherheitstechnischen Forderungen zuerst nicht bestätigen. Auf unsere konkreten Eingaben hin hat das UVEK vom ENSI weitere Stellungnahmen verlangt. Erst hierin erfolgte die inhaltliche Bestätigung des ENSI, die Stilllegung erfolge nach den Kriterien, wie von uns gefordert. Das UVEK hat nun diese Zusicherungen in der Verfügung festgehalten. Wird sie rechtskräftig, ist das AKW Mühleberg daran gebunden. Man darf sagen: es hat sich bereits gelohnt, dran zu bleiben!

Die zugehörigen Anlageänderungen beinhalten gemäss ENSI keine wesentlichen Abweichungen von der Betriebsbewilligung und keine Präjudizierung der Stilllegungsverfügung. …

Das Anliegen der Einsprecher ist somit auch ohne die beantragte ausdrückliche Feststellung in der Stilllegungsverfügung erfüllt.

Diese abstrakt klingenden Zusicherungen bewirken via Gesetzgebung, dass sämtliche Sicherheitssysteme und ihre Sicherheitsfunktion erhalten bleiben müssen oder höchsten verbessert werden dürfen.

Das UVEK ist uns aber nicht so weit gefolgt, wie beantragt zu bestätigen, dass dies in jedem Fall von der Gesetzgebung her gelte. Die Begründung des UVEK ist in diesen Teilen nicht nachvollziehbar. Das bedeutet wohl, dass dieses sicherheitsgerichtete Vorgehen für die Stilllegungen der anderen Schweizer AKW nicht garantiert ist. Allerdings sei erwähnt, dass die hier relevanten gravierenden Sicherheits-Defizite des AKW Mühleberg bei den weniger uralten AKW Gösgen und Leibstadt nicht vorliegen. Bei Beznau wird man genau hinschauen müssen.

Diverse komplizierte, vor allem juristische Fragen müssen wir jetzt noch vertieft anschauen.

Keine nicht-nukleare Weiternutzung, kein Abriss von bedeutenden Gebäuden ohne zweites Stilllegungsverfahren

Das UVEK hat die Anträge der BKW abgewiesen, die Gebäude stehen zu lassen, nach Gusto ohne öffentliches Verfahren abreissen zu können und ohne konkretes Projekt eine nicht näher bestimmte nicht-nukleare Nutzung ohne weitere ENSI-Aufsicht vorzusehen. Vielmehr muss darüber ein zweites Stilllegungsverfahren in ca. zehn Jahren geführt werden. Damit sind indirekt auch die von uns diesbezüglich gestellten Bedenken bestätigt und unser Antrag wird faktisch wieder Gegenstand des zweiten Verfahrens.

Nach Ansicht des UVEK ist das endgültige Stilllegungsziel einer Kernanlage grundsätzlich der vollständige Rückbau zur „grünen Wiese“ (naturnahe Nachnutzung). Dies unter dem Vorbehalt, dass der Stilllegungspflichtige nicht die industrielle Nachnutzung der Anlage plant. ln diesem Fall hat er die Kernanlage bzw. ihre Gebäude und Anlageteile zur Erreichung des Stilllegungsziels nur soweit zurückzubauen, wie die Gebäude und Anlageteile für die künftige Nutzung nicht mehr benötigt werden (sogenannte „braune Wiese“).

Die BKW hatte aber keine Planung dafür eingegeben.

Die Gesuchsunterlagen enthalten keine Planungen bezüglich einer nichtnuklearen Weiternutzung von Anlageteilen oder betreffend den Abbruch von Gebäuden…

Damit ist der Abbruch von Gebäuden vorliegend nicht Verfahrensgegenstand und kann vom UVEK somit auch nicht beurteilt werden. Es ist aus diesem Grund nicht möglich, das ENSI zu ermächtigen, den in einer Stilllegungsphase nicht ausdrücklich vorgesehenen Abbruch einzelner Gebäudeteile im Freigebeverfahren zu genehmigen, … Dies, da dadurch das vorgesehene öffentliche Verfahren umgangen würde. Der diesbezügliche Antrag der BKW in deren Gesuch ist daher abzuweisen.

… Es ist jedoch festzuhalten, dass bei bedeutenden Gebäuden wie dem Reaktorgebäude oder dem Maschinenhaus ein Abbruch lediglich gestützt auf eine Freigabe des ENSI in keinem Fall möglich ist.

Die Aufsicht bleibt vorerst bestehen und unsere eigentliche Frage bleibt offen:

… Daraus folgt, dass die Frage, ob die Anlage sowie das zugehörige Areal auch nach deren radiologischen Freimessung noch der Aufsicht durch das ENSI unterstehen, im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden ist. Diese Frage wird erst in der zweiten Stilllegungsverfügung zu beantworten sein, die voraussichtlich in zirka zehn Jahren ergehen wird.

Nach dem Gesagten ist der von der BKW in ihrem Gesuch gestellte Antrag 4 daher abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.

Abklinglagerung ausserhalb des Areals einer Kernanlage

Womöglich umgeht diese Zweiteilung des Stilllegungsverfahrens auch einen rechtlichen Stolperstein für die BKW.

Beim Rückbau entsteht ja viel schwach radioaktiv strahlendes Material. Teilweise klingt die Radioaktivität innert 30 Jahre so stark ab, dass das Material danach nicht mehr gesondert entsorgt werden muss, für solches Material bietet sich eine sogenannte Abklinglagerung an. Nach geltendem Recht darf aber eine solche Lagerung nur auf dem Areal einer Kernanlage betrieben werden. Man darf nicht vergessen: je schneller ein radioaktiver Stoff abklingt, desto intensiver strahlt er am Anfang. Es wäre also ein Trugschluss, ohne weitere Angaben zu meinen, so ein Lager sei von Anfang an harmlos.

Eng verknüpft mit der Halbwertszeit eines Radionuklids ist seine spezifische Aktivität, also die Aktivität pro Masse, ausgedrückt z. B. in Becquerel pro Milligramm, Bq/mg. Der Zusammenhang zwischen spezifischer Aktivität und der Halbwertszeit ist umgekehrt proportional: je kürzer die Halbwertszeit, desto grösser ist bei gegebener Substanzmenge die Aktivität und umgekehrt.
(Wikipedia)

Bleibt das Material am Standort Mühleberg, kann die Anlage noch lange nicht aus dem Kernenergiegesetz entlassen werden. Der Transport ins Zwischenlager Würenlingen (ZWILAG) wäre wohl praktisch die einzige Alternative.

Die laufende Revision der Kernenergieverordnung will nun neben dem skandalösen Kahlschlag bei den Ausserbetriebnahmekriterien und Dosisgrenzwerten auch eine erleichterte Abklinglagerung erlauben. Das Problem für UVEK und BKW ist aber , dass die Stilllegungsverfügung nach geltendem Recht zu erfolgen hat. Mit der Zweiteilung des Verfahrens soll womöglich auch dieser Stolperstein umgangen werden.

Wir haben ins weder im Verfahren noch bei der Revision der Kernenergieverordnung für oder gegen diese Neuregelung der Abklinglagerung ausgesprochen, uns fehlt hier das Hintergrundwissen. Allerdings haben wir im Verfahren gefordert, dass die Rechtslage geklärt wird. Durch die Zweiteilung kann die BKW nun wohl auf eine günstigere Lösung nach neuem Recht hoffen. Zu hoffen bleibt natürlich, dass von der Revision der Kernenergieverordnung nach der breiten Front dagegen allerhöchsten dieser Teil übrig bleibt.

Auch diese und viele anderen Fragestellungen in der Verfügung müssen wir aber noch eingehend prüfen.

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