Bundesgericht: ENSI alleine in der Verantwortung

Bundesgericht Säulen

Ein nasskalter Tag für die Nukleare Sicherheit

Das Bundesgericht hat heute entschieden, dem AKW Mühleberg eine unbefristete Bewilligung zu erteilen. Das Höchste Gericht folgte den Argumenten der Anwohner und des Bundesverwaltungsgerichts (Vorinstanz) nicht, es seien bedeutsame Sicherheitsfragen noch offen und somit die Befristung der Bewilligung zu prüfen. Nur ein Mitglied (von fünf) sprach sich für eine Befristung aus.

Die Mehrheit der Richter folgte im Wesentlichen den Argumenten der Beschwerdeführer UVEK und BKW, allein das ENSI sei für die Sicherheit verantwortlich. Das UVEK könne und müsse sich auf das ENSI stützen und dürfe höchstens aus „triftigen Gründen“ von dessen Meinung abweichen. Die drei von der Vorinstanz aufgeworfenen offenen Sicherheitsfragen wurden an sich nicht bezweifelt, sie seien jedoch alleine durch die laufende Aufsicht des ENSI zu verfolgen.

Befristung: praktisch unerreichbare Voraussetzungen

Zwar hat ein Richter die Frage aufgeworfen, wofür denn der Artikel 21, Absatz 2 des Kernenergiegesetzes (Befristung der Bewilligung) überhaupt gedacht sei? Der Gesetzgeber erlasse ja kaum nutzlose Bestimmungen.

Die Antworten darauf blieben sehr abstrakt. Es müsse eine Sicherheitsfrage vorliegen, die per einem voraussagbaren Datum eine Änderung der Bewilligung erfordere. Ich kann mir beim besten Willen kein solches Szenario denken; eine Änderung der Bewilligung wird nur bei einer grösseren Umkonzeption einer Kernanlage gefordert und muss selbstverständlich erteilt werden, bevor diese Umkonzeption in Angriff genommen wird. Warum es vorausschaubar in x Jahren dazu kommen sollte, weiss ich nicht.

Alterungseffekte wurden am Beispiel der Risse im Kernmantel ausdrücklich als möglicher Grund für eine Befristung ausgeschlossen, da die Alterung nicht voraussagbar sei.

Das Erzwingen einer fristgerechten und vollständigen Umsetzung von Nachrüstungen war hingegen nie ein Thema. Sogar die Minderheitsmeinung erwähnte die bereits vom ENSI verordneten Nachrüstungen bzw. die diesbezügliche, bereits grosszügig geschobene Fristansetzung nicht. Derweil wird die Nachrüstforderung von der BKW bereits unverhohlen als Verhandlungssache dargestellt.

[BKW-Verwaltungsratspräsident Urs Gasche in der SonntagsZeitung vom 24.2.2013]

Konkret: Gasche hofft, in Verhandlungen mit der Atomaufsichtsbehörde Ensi die Sicherheitsauflagen so zu beeinflussen, dass sich ein Betrieb von nur noch wenigen Jahren lohnt.

Alle Wege führen nach Brugg

Das Gericht hat jedoch auch die Verantwortlichkeit des ENSI deutlich zementiert. Wir erinnern uns: das ENSI hat selber von sich behauptet, ihm fehle die Rechtsgrundlage, um den Bereibern bei seinen Verfügungen terminlich ein Ultimatum zu stellen:

Das Bundesverwaltungsgericht setzt damit der Betreiberfirma BKW einen ultimativen Termin. Diesen Termin hätte das ENSI aufgrund der gesetzlichen Bestimmungen nicht verfügen können.

Diesem fehlenden Willen haben die Richter gleich in mehreren Voten eine Absage erteilt. Eine Befristung der Bewilligung sei nicht erforderlich, um Massnahmen durchzusetzen, weil das ENSI dem UVEK jederzeit den Antrag um Entzug der Betriebsbewilligung stellen könne. Anmerkung: das UVEK muss dann gemäss Gesetz praktisch zwingend handeln:

Art. 67 Entzug

1 Die Bewilligungsbehörde entzieht die Bewilligung, wenn:

[…]

b. der Bewilligungsinhaber eine Auflage oder eine verfügte Massnahme trotz Mahnung nicht erfüllt.

Insgesamt wurde die Rolle des UVEK als Bewilligungsbehörde in Sicherheitsfragen derart reduziert, bzw. das ENSI derart in die Pflicht genommen, dass der vom ENSI eingefädelte nationalrätliche Vorstoss „Sach- und Entscheidkompetenz in der Atomaufsicht vereinen“ faktisch schon vorweg genommen wurde. Es ist deshalb wohl angebracht, diesen Vorstoss im obenstehenden Sinne und Umfang zu unterstützen, um weitere Rechtssicherheit zu schaffen und die alleinige Verantwortlichkeit des ENSI unmissverständlich festzunageln.

ENSI päpstlich?

Liegt das päpstliche ENSI der Justizia zu füssen?
Wer liegt da wem zu Füssen?

Das ENSI hat heute seine Deutungshoheit in Sachen Nuklearer Sicherheit zementiert bekommen. Die unterlegenenen Anwohner sprachen an ihrer Medienkonferenz von „göttlicher Allmacht“. Nun mit dieser Macht kommt aber auch Verantwortung. Der Logik des heutigen Urteils folgend, müssen sich Anwohner mit ihren Rechtsbegehren zukünftig in erster Linie direkt an das ENSI halten.

Damit liegen wir mit unserem bereits laufenden ENSI-Fall goldrichtig. Nach dem heutigen Urteil kommt unserem Fall eine deutlich erhöhte Bedeutung zu.

Das ENSI ist den Anwohnern erst recht und unabhängig von irgendwelchen Bewilligungsverfahren Rechenschaft über seine Aufsichtstätigkeit schuldig. Alles andere wäre eine totale Ausschaltung der neu eingeführten Rechtsweggarantie der Bundesverfassung. Das ENSI bekäme seine „Lizenz zur Willkür“, die es unverholen verlangt. Und dies, nachdem in Japan minutiös aufgezeigt wurde, wie solche Behörden von den Beaufsichtigten unterwandert werden und das ENSI ebenfalls den Filz pflegt.

Mit unserem Verfahren werden wir bald sehen, was Sache ist. Auch ein Verfahren um Entzug der Betriebsbewilligung ist hängig. Auf Wiedersehen, Bundesgericht.

Bundesgericht

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