Erdbeben und Überflutung, Ausfall der Notstromversorgung

Rückblick vom Mai 2012:

Mit Unterstützung von Fokus Anti-Atom habe ich den Bericht „Erdbeben und Überflutung, Ausfall der Notstromversorgung an die Medien veröffentlicht.

Zur Veröffentlichung ist es wie folgt gekommen:

Meine Recherchen zum Thema laufen schon mehrere Monate und ich habe bereits Ende Dezember 2010 von der BKW genauere Auskünfte unter anderem zu diesen Fragen verlangt. Diese wurden mir verweigert .

Dann ist Fukushima passiert. Der Unfallablauf in Japan hat mich Tag für Tag quälender an meine Recherchen erinnert. Schliesslich habe ich in aller Eile – in drei Tagen nach dem Tsunami in Fukushima Daiichi – meinen Bericht fertiggestellt.

Am Montag, 14. März habe ich diesen Bericht der Aufsichtsbehörde ENSI sowie der BKW zur Stellungnahme und allfälligen Berichtigung vorgelegt . Nach fast drei Tagen und mehrfachem Nachhaken per Telefon habe ich noch nicht einmal die verlangte Empfangsbestätigung erhalten.

Schliesslich habe ich mich dafür entschieden, den Bericht über die Organisation Fokus Anti-Atom zu veröffentlichen.

Der Bericht beginnt mit den folgenden Worten:

Das AKW Mühleberg, 8.4km vor dem Siedlungsgebiet der Stadt Bern, liegt nicht auf dem pazifischen Feuerring, hat also ein weit geringeres Erdbebenrisiko und ist auf 466m ü. Meer natürlich geschützt vor jedem Tsunami.

Bedeutet das nun Entwarnung für Mühleberg?

Er zeigt danach auf, wie bei einem Bruch des Wohlenseestaudammes Schritt für Schritt die Stromversorgungseinrichtungen überflutet und zerstört werden. Schliesslich bleibt das gebunkerte, erst 20 Jahre nach der Inbetriebnahme des AKW nachgerüstete Notstandgebäude „SUSAN“ übrig.

Die SUSAN-Dieselgeneratoren bilden also die letzte Möglichkeit zur weiteren Stromversorgung der Notkühlung. Sie laufen jetzt an.

Zur Kühlung des Reaktors, der Pumpen, der Lüftung und der Dieselgeneratoren selber braucht das SUSAN Kühlwasser. Fehlt dieses, schalten sich die Generatoren automatisch wieder ab. Zur „unabhängigen“ Fassung des Kühlwassers verwendet das SUSAN die Auslaufleitung des normalen Hauptkühlsystems. Dort wird im Normalbetrieb das heisse Wasser (Abwärme) in die Aare abgelassen. Nun ist die Hauptkühlung aber ausgefallen (wie immer wenn SUSAN zum Zug kommt) und es wird dort nicht mehr Wasser ausgestossen, sondern angesaugt.

Die Auslaufleitung ist eine Röhre von 1.8m Durchmesser, welche vom Betriebsgelände aus in den Aarelauf hinausragt. Sie liegt horizontal direkt auf dem Fels, quer im Aarebett und verfügt je nach Quelle über zwei oder vier Öffnungen in Serie. Durch die Öffnungen muss das Wasser nun aus eigener Kraft zur Pumpenfasssung unter dem SUSAN-Gebäude einlaufen. Normalerweise ist dies kein Problem: die Röhre liegt unter Wasser mitten im Strom der Aare. Nach einem Dammbruch sieht die Situation jedoch anders aus.

Die Wassermassen überströmen auf Ihrem Weg vom Damm zum AKW grosse landwirtschaftlich genutzte Flächen. Unter der dünnen, gepflügten Humusschicht besteht der Talboden aus Lockergestein. Es kommt zu starker Erosion. Die streckenweise 8 Meter hohe Flut trifft auch Gebäude, Strommasten, Bäume, parkierte Fahrzeuge, usw. Im Wohlensee haben sich zudem während 90 Jahren ca. 9 Millionen Kubikmeter Feststoffe (Sand, Schlamm) abgelagert. Dort wird ebenfalls Erosion erwartet.

Schliesslich stellt der Bericht die entscheidenden Fragen:

Auch wenn ich kein Geologe oder Hydrologe bin: es ist – gerade angesichts der aktuellen Fernsehbilder – kaum glaubwürdig, dass bei einem Dammbruch ausgeschlossen werden kann, dass die saugenden Öffnungen zugeschlämmt, durch Geschiebe überdeckt oder gar die Leitung von Trümmern oder Gesteinsbrocken zerdrückt wird. Ebenfalls fraglich ist, ob die Wasserqualität während des gesamten Flutereignisses (mehrere Stunden) den Anforderungen genügt bzw. ob Filter, Zuleitungen und Wärmetauscher nicht verstopfen oder versanden.

Dass die Wasserfassung durch die Folgen des Dammbruches in Mitleidenschaft gezogen werden könnte, wischt die Aufsichtsbehörde ENSI mit einem Satz vom Tisch.

„Aus diesem Grunde wird die Wasserentnahme für das SUSAN auch beim starken Geschwemmselanfall nach einem Wehrbruch des Wohlenseedammes als nicht gefährdet angesehen, da dafür praktisch alle vier [zwei?] Oeffnungen im Auslaufrohr […] verstopft werden müssten, was sehr unwahrscheinlich ist.“

Bei einem Dammbruch müssen die Anwohner (430’000 Personen in 20km-Umkreis) einfach ganz fest hoffen, dass unsere Atomsicherheitsbehörde damit Recht behält.

Wie man im Rückblick weiss, tut sie das nicht.

Erdbeben und Überflutung, Ausfall der Notstromversorgung

Illustration und Ablauf Überflutung Atomkraftwerk Mühleberg


Known Bugs:

  • Die Auslaufleitung ist nicht „eine Röhre“, sondern ein Röhrenpaar (eine lang, eine kurz). Allerdings führen beide zum selben Einlaufbauwerk, zum selben Feinrechen.
  • Es sind nicht zwei grosse Öffnungen, sondern pro Röhre eine Gruppe von je fünf kleineren Öffnungen. Allerdings spielt das scheinbar keine Rolle.
  • Es heisst im Wasserbau-Fachjargon nicht „Filter“ sondern „Feinrechen“.
  • Es leben nicht 430’000 Personen, sondern 550’000 Personen im 20km Umkreis (aus Versehen das Total des Kantons Bern genommen).
  • Nach dem deklarierten „Ende des eigentlichen Berichts“ wird im Anhang diskutiert, was nach dem totalen Ausfall der Notstromversorgung und der Notkühlwasserfassung passieren würde. Dabei habe ich behauptet, man müsse Dampf ins Reaktorgebäude ablassen. Das ist falsch. Es gibt die gefilterte Containmentdruckentlastung, welche den Dampf teilweise von radioaktiven Stoffen reinigen und dann über den Hochkamin ablassen kann. Jedenfalls in der Theorie.

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