Greenpeace: „Wohlensee-Staumauer: Erdbebensicherheit weiterhin fraglich“

Wohlensee-Staumauer

Am 30.5.2013 haben fünf andere Anwohner des AKW Mühleberg und ich unsere Beschwerde gegen den Erdbebensicherheitsnachweis in der kantonalen Bewilligung des Nachrüstprojektes für die Wohlenseestaumauer eingereicht. Greenpeace unterstützt uns dabei.

Wohlensee-Staumauer:
Erdbebensicherheit weiterhin fraglich

Die von einem unabhängigen Geotechnikprofessor im Februar aufgeworfenen Fragen zur Stabilität der Wohlensee-Staumauer im Falle eines Erdbebens wurden immer noch nicht geklärt. Um die Mauer des Schweigens zu durchbrechen unterstützt Greenpeace Schweiz die heute von sechs Anwohnern eingereichte Bundesverwaltungsgerichtsbeschwerde gegen eine geplante kosmetische Nachrüstung.

Lesen Sie die Medienmitteilung von Greenpeace →

Die kantonale Behörde ist nicht einmal ansatzweise inhaltlich auf die von uns vorgebrachte und durch den renomierten Geotechnikprofessor Dr.-Ing. Wei Wu (Leiter des Geotechnischen Instituts, Universität BOKU, Wien) bestätigte Kritik eingegangen. Die Behörden stützen sich „blind“ auf den Bescheid des BFE (Sektion Talsperren), welches die vorgebrachte Kritik lediglich mit Wiederholungen bereits widerlegter Behauptungen von sich weist und ansonsten den Dialog verweigert.

Da unsere Ressourcen begrenzt sind, haben wir nur die Hauptfrage in der Beschwerde weitergezogen, nämlich dass bei der Erdbebensicherheit die Messlatte um den Faktor drei zu tief angesetzt wird. Dass wir das Prozessrisiko begrenzen mussten, heisst aber nicht, dass wir im Sinne der Rechtfertigung unserer Beschwerde nicht an unseren weiteren fundierten Einwänden festhalten: die Nachrüstung kann eine Verschlimmbesserung beim Kipp- und Grundbruchrisiko darstellen und damit die Erdbebensicherheit der Staumauer sogar verschlechtern. Wenn wir in der juristisch verbindlicheren Hauptfrage Recht bekommen, hoffen wir, dass auch die anderen Fragen neu aufgrollt werden.

Ausschnitt aus der Beschwerde:

a) Der Unfall von Fukushima stärkte das Bewusstsein für die Bedeutung der Erdbebensicherheit von Anlagen im Umfeld von Kernkraftwerken, was das ENSI zum Anlass nahm, die Sicherheit der flussaufwärts des AKW stehenden Stauanlage Mühleberg überprüfen zu lassen. Das vorliegende Bauprojekt wurde in der Folge öffentlich aufgelegt. […] Zur Frage der Notwendigkeit des umstrittenen Projekts liegt ein Dokument der BKW, „Baugesuch, Ergänzende Unterlagen“ in den Akten, das weitgehend abgedeckt ist und eine Beurteilung der Ausgangssituation im abgedeckten Zustand gar nicht zulässt. Auch die von der Bauherrschaft eingeholten Gutachtensversionen der Firma Stucky zur Erdbebensicherheit sind den Einsprechern nur in teilabgedeckter Form aus einem BGÖ-Verfahren bekannt.

[…]

c) Die Einsprecher wiesen während des gesamten Verfahrens darauf hin, dass sie den Erdbebennachweis mit eigenen Nachrechnungen deutlich nicht nachvollziehen konnten und deshalb anzweifelten. Später stellte sich aufgrund der BGÖ-Akteneinsicht heraus, wo die Differenz liegt: Gemäss „Basisdokument zur konstruktiven Sicherheit“ des BFE müsste im vorliegenden Fall zum Nachweis der Erdbebensicherheit (Gleitsicherheit, bei Anrechnung von Kohäsion) ein Sicherheitsfaktor drei eingerechnet werden, wo die BKW und das BFE nur mit dem Faktor eins rechnen. Die korrekte Berechnung mit Faktor drei wurde in der ersten Version des von der Firma Stucky im Auftrag der Bauherrschaft verfassten Gutachtens zur Erdbebensicherheit korrekt verwendet, wobei schlussfolgernd die Vorgaben der Richtlinien ausdrücklich als nicht erfüllt ausgewiesen wurden. Diese Gutachtensversion Stucky wurde in einem nicht aktenkundigen Dialog zwischen Bauherrschaft, BFE und Expertenfirma zweimal überarbeitet, bis es in einer Fassung vom 4.5.2012 den Vorstellungen von BKW und BFE entsprach. Die Gutachterin Stucky sicherte sich indes ab, indem sie bei der entscheidenden Stelle (S. 7, 3.7.2) einfügte „Nach Rücksprache mit dem BFE ist in der BWG-Richtlinie zum Nachweis der Erdbebensicherheit [13] bei einer Berücksichtigung der Kohäsion keine Erhöhung des Sicherheitsfaktors vorgesehen.“. Nach den vorgenommenen Änderungen konnte der Stabilitätsnachweis und damit der Erdbebensicherheitsnachweis angeblich erbracht werden. Gestützt auf dieses Gutachten genehmigte das BFE das Projekt aus sicherheitstechnischer Sicht mit altrechtlicher „Bewilligung“ vom 30.11.2012.

d) Die Einsprecher gehen davon aus, dass die Bauherrschaft und das BFE den Sicherheitsfaktor drei im extremen Lastfall (Erdbebenfall) gemäss Richtlinie wissentlich übergangen haben. Da inländische Experten den Sachverhalt bestätigten, sich aber nur ohne Namensnennung zur Sache äussern wollten, liessen die Einsprecher die Stucky-Gutachtensversionen und die Verfügung des BFE durch einen anerkannten Wiener Fachexperten, Prof. Wei Wu überprüfen. Dessen Gutachten vom 14.2.2013 kam zum Ergebnis:

„Angesichts der Ungereimtheiten in dem Gutachten sind die Standsicherheitsnachweise des Wasserkraftwerks Mühleberg noch nicht als erbracht anzusehen. Die Ungereimtheiten betreffen sowohl die Anwendung der Richtlinien als auch die Nachweise selbst.“

Die Beschwerde geht direkt an das Bundesverwaltungsgericht, weil wir die Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern für befangen halten:

a) Die BVE wäre als Rekursinstanz aus zwei Gründen befangen (Art. 10 Abs. 1 Bst. c VwVG; Art. 9 VRPG). Erstens ist die Direktionsvorsteherin Mitglied des Verwaltungsrats der Bauherrschaft (Feller, in Auer/Müller/Schindler, Komm. VwVG, N 17 zu Art. 10 VwVG; BGE 117 Ia 408) und zweitens hat sie sich in einem Schreiben an Greenpeace während des hängigen Verfahrens in einer Weise zum wesentlichen Rechtsstreitpunkt der kantonalen Überprüfbarkeit der BFE-Verfügung geäussert, welche die Befangenheit auch im Sinn von Art. 47 Abs. 2 VwVG begründen lässt (Feller, a.aO. N 30 zu Art. 10 VwVG; Zibung in Waldmann/Weissenberger, N 15f zu Art. 47 VwVG).

Deshalb streben wir einen sogenannten Sprungrekurs an (wie übrigens die BKW auch). Nach dem neuen Stauanlagengesetz ist nicht mehr das kantonale Verwaltungsgericht, sondern das Bundesverwaltungsgericht die nachfolgende Instanz.

Lesen Sie die volle Beschwerde (Personendaten geschwärzt):

Herzlichen Dank an Greenpeace.

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