Wohlensee-Staumauer: Brief an BKW-Präsidenten

BKW HQ Abendlicht sBild: BKW-Hauptgebäude.

Brief an Urs Gasche, BKW-Präsident

Am Samstag habe ich einen öffentlichen Brief an den Präsidenten des Verwaltungsrats der BKW, Urs Gasche geschrieben. Dabei geht es um die Erdbebensicherheit der Wohlensee-Staumauer sowie unsere Einsprache gegen das Bauprojekt der BKW zur Verstärkung des Untergrunds bei der Staumauer.

Vor einigen Wochen wurde er in der BernerZeitung wie folgt zitiert:

Kritik an Gegnern

BKW-Präsident Urs Gasche kritisierte am Gründonnerstag die Gegner des AKW Mühleberg. «Ich vermisse bei den Einsprechern eine gewisse Redlichkeit», sagte der BKW-Präsident. Er verstehe es nicht, wenn die Gegnerseite einerseits betone, sie sei besorgt um die Sicherheit des AKW und dann das BKW-Projekt zur Verstärkung des Wohlensee-Staudamms wieder mit Einsprachen bekämpfe. Er könne nachvollziehen, wenn jemand Bedenken wegen der Sicherheit eines AKW habe. Aber solche Einsprachen verstehe er nicht. […]

Wer die bisherige Berichterstattung nicht gesehen hat, findet es wohl tatsächlich merkwürdig: da machen diese Anwohner sich Sorgen um die Gefährdung des AKW durch die nicht erdbebensichere Staumauer und gleichzeitig blockieren sie eine Nachrüstung zur Verbesserung dieser Erdbebensicherheit?

Das verlangt nach einer Erklärung. Und genau diese versuche ich Herrn Gasche (und allen Interessierten) zu liefern:

Als Initiant der besagten Einsprache fühle ich mich natürlich persönlich angesprochen. Zwar gehe ich davon aus, dass viele Leser Ihre Äusserungen durchaus gebührend einordnen können, aber niemand wird gern öffentlich der Unredlichkeit bezeichnet. Sie werden im Artikel jedoch auch zwei Mal zitiert, Sie verstünden es nicht, was ich auch als Aufforderung betrachte, Ihnen meine/unsere Beweggründe zu erklären. Es könnte ja durchaus sein, dass Sie an der Spitze des Unternehmens etwas einseitig informiert sind und eine fundierte Gegendarstellung durchaus begrüssen. Natürlich möchten wir hiermit auch den Vorwurf der Unredlichkeit in aller Form zurückweisen

Bei der Einsprache geht es um zwei Hauptfragen:

  1. Rechnen BFE und BKW bei der Erdbebensicherheit des Wohlensee-Staudammes mit einer gegenüber den gesetzlichen Standards dreifach zu tief angesetzten Messlatte?
  2. Bringt das Nachrüstprojekt den erforderlichen Sicherheitsgewinn oder handelt es sich gar um eine Verschlimmbesserung in anderer sicherheitstechnischer Hinsicht?

Wir haben es schon länger gemäss eigenen Berechnungen vermutet und später anhand der konkreten Unregelmässigkeiten bestätigt bekommen: BFE und BKW rechnen mit einem sogenannten Sicherheitsfaktor, der dreifach zu tief liegt. Der Erdbebensicherheitsnachweis der Staumauer ist nicht erbracht.

Im Brief versuche ich die Faktenlage so kurz wie möglich darzulegen. Ich verweise nicht zuletzt auf das von Greenpeace eingeholte Fachgutachten von Herrn Univ. Prof. Dr.-Ing. Wu, Leiter des Geotechnischen Instituts, Universität für Bodenkultur (Wien), der unsere Auffassung stützt. Auch die Stellungnahme des BFE wird von ihm mit einem zweiten Schreiben gekontert (siehe Anhang im Brief). Wir haben folglich allen Grund anzunehmen, dass unser Standpunkt aus der fachtechnischen Sicht zutrifft.

Messlatte dreifach zu tief gehängt – auch bei der Nachrüstung

Der falsche Sicherheitsfaktor bedeutet für das Nachrüstprojekt (und daher für unsere Einsprache) folgendes:

  • Der Erdbebensicherheitsnachweis für den heutigen Zustand der Mauer ist nicht erbracht. Zur Wahrung der Sicherheit der Bevölkerung müsste die BKW nach dem Gesetz bei der Stauanlage und vor allem beim 1.3 km flussabwärts gelegenen AKW zwingend betriebliche Massnahmen vornehmen (beim Stausee sind Massnahmen nicht konkret geregelt, beim AKW ist die unverzügliche vorläufige Ausserbetriebnahme gefordert).
  • Man kann diese betrieblichen Massnahmen ausdrücklich nicht mit Verweis auf die Nachrüstung aussitzen — oder gar mit dem prekären Sicherheitszustand Druck für ein zweifelhaftes Schnellschuss-Baugesuch bzw. gegen unsere Einsprache machen.
  • Wenn BFE und BKW die Erdbebensicherheit heute nach einem dreifach zu tiefen liegenden Sicherheitsfaktor bemessen, dann ist davon auszugehen, dass dies auch für das Nachrüstprojekt gilt. D.h. das Nachrüstprojekt ist ungenügend dimensioniert und es besteht die Gefahr, dass man sich eine nachzuholende „richtige“ Nachrüstung verbaut. Auch deshalb ist unsere Einsprache berechtigt — und sogar im Interesse der BKW.

Keine Transparenz und Rechenschaft

Bezüglich des letztgenannten Punktes fällt auf, dass die BKW keinerlei Angaben dazu machen will, mit welchem Sicherheitsgewinn sie rechnet. Tatsächlich sehen relevante Dokumente so aus:

 BKW - WKM Verstärkung Untergrund - Sicherheit im EndzustandBKW - WKM Verstärkung Untergrund - Geologisch-geotechnische Untersuchung, Scherversuche

Unsere Anträge zur Aufdeckung/Akteneinsicht werden vehement bekämpft. Ich frage Herrn Gasche deshalb im Brief:

Was hat Ihre Firma zu verbergen?

Ich bitte Sie höflich, der Öffentlichkeit zu erklären, warum Angaben zur Erdbebensicherheit im Endzustand oder ermittelte Bodenkennwerte geheim sein sollen, wenn diese geeignet sein könnten, unsere Einwände als unbegründet darzustellen? Gehört es nicht zu einer intakten Sicherheitskultur, gerade die „lästigen“ Fragen ernst zu nehmen und zu klären? Sind Sie hier der betroffenen Bevölkerung angesichts des Schadenpotenzials nicht selbstverständlich volle Transparenz und Rechenschaft schuldig?

Verschlimmbesserung befürchtet

Wie schon früher berichtet, befürchten wir zudem (gestützt auf Berechnungen durch einen erfahrenen Bauingenieur), dass die Nachrüstung sogar eine „Verschlimmbesserung“ darstellt, weil die enge Pfahlbohrreihe die Mauer und den Untergrund schwächt. Bedenken in diese Richtung äussert im Verfahren übrigens auch das ENSI — es will aber (wie so oft) erst später prüfen (siehe Brief).

Und was sagt das BFE als Aufsichtsbehörde zu all diesen Punkten?
(drei Zitate des BFE, Hervorhebung hinzugefügt, Quellenangaben im Brief)

Die Verstärkung des Untergrunds geschieht freiwillig, ohne Auflage des BFE als Aufsichtsbehörde über die Sicherheit der Stauanlagen. Aus diesem Grund wurden die vom Projektverfasser angestrebten Verbesserungen nicht quantitativ geprüft.

Im heutigen Zustand erfüllt die Stauanlage Wohlensee die Anforderungen an die Gleitsicherheit. Deshalb fällt es für das BFE aus sicherheitstechnischer Sicht nicht ins Gewicht, falls eine Verbesserung der Gleitsicherheit, wie von den Einsprechern behauptet, nur ‚bescheiden‘ oder ‚unbedeutend‘ sein sollte.

Zu Fragen der „Verschlimmbesserung“:

Weil das BFE als Aufsichtsbehörde und nicht als Partei am vorliegenden Verfahren beteiligt ist, verzichten wir auf eine Stellungnahme.

Das BFE stützt sich auch hier wieder voll auf den heutigen Erdbebennachweis. Wenn dieser nun aber als gescheitert betrachtet werden muss (s.o), sind auch die darauf aufbauenden Behauptungen automatisch wertlos.

Schlussfolgerungen

Mein Brief fasst schliesslich zusammen:

Unsere Einsprache ist wohlbegründet. Es kann nicht angehen, dass man uns mutmasslich eine Plazebo-Nachrüstung andreht – mit Risiken und Nebenwirkungen, aber ohne Packungsbeilage. Sollte die Sicherheit der Bevölkerung heute nicht gewährleistet sein, müssen zu deren Wahrung betriebliche Massnahmen bei WKM und KKM ergriffen werden, wie dies gesetzlich klar vorgeschrieben ist. Entweder das ist der Fall (unser Standpunkt), dann müssen Sie unverzüglich betrieblich handeln. Oder das ist nicht der Fall (Ihr Standpunkt), dann gibt es keine Eile und damit kein rechtschaffenes Argument gegen unsere Anträge, das Projekt sei korrekt zu bemessen, zu überprüfen, zu verbessern und erst dann zu bewilligen.

Einen Hinweis darauf, dass Recht haben und Recht bekommen zwei verschiedene Paar Socken sind, kann ich mir auch nicht verkneifen:

Dass sich unsere sachlich-fachlichen Argumente durchsetzen werden, wird in meinem Umfeld weitgehend bezweifelt. Es gehe um zu viel Geld und Macht und der Kanton hocke mitten drin, sagen fast alle. Ich mag das (noch) nicht glauben. Sie können mir also vielleicht blauäugige Gutgläubigkeit an Wissenschaftlichkeit und Rechtsstaat vorwerfen. Aber nicht Unredlichkeit.

 


icon_pdf Öffentlicher Brief an Herrn Urs Gasche, VR-Präsident BKW

icon_pdficon_pdficon_pdf Aktenarchiv Einspracheverfahren 


Nachtrag:

icon_pdf Antwortbrief von Herrn Urs Gasche, 3.6.2013

BKW HQ Abendlicht

 

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