SonntagsZeitung: „AKW Mühleberg erhält Bestnoten – ohne Prüfung“

Rückblick vom Mai 2012:

In ihrer Ausgabe vom 1. Januar 2012 bringt die SonntagsZeitung auf Seite 9 den Artikel „AKW Mühleberg erhält Bestnoten – ohne Prüfung„. Von Catherine Boss und Seraina Kobler.

Das Eidgenössische Inspektorat für Nuklearsicherheit (Ensi) attestiert den Schweizer AKW im EU-Stresstest höchste Erdbebensicherheit – ohne zentrale Angaben kontrolliert zu haben. Das AKW Mühleberg reichte für die Prüfung völlig neue Erdbebenberechnungen ein – das Ensi gab die Daten ungeprüft an die EU weiter. Für den Ingenieur Markus Kühni ist das gravierend, denn die neuen Zahlen weichen stark von früheren Berechnungen ab – zugunsten des AKW. Plötzlich sei ein Betriebsgebäude, in dem Sicherheitssysteme untergebracht sind, dreimal sicherer als noch vor ein paar Jahren – obwohl baulich nichts verändert wurde, stellt er fest.

Bei der Verfügung des EU Stresstests hat das ENSI die Gefährdungsannahmen zu Erdbeben (Stärke der Erdstösse) auf uralte Zahlen von 1977 beschränkt, obwohl man seit 2004 weiss, dass diese um mindestens den Faktor 2 zu tief sind und obwohl bereits seit Mai 2011 neue Zwischenresultate aus dem PEGASOS Refinement Project zur Verfügung standen.

Im Widerspruch zu den Uralt-Zahlen bei der Gefährdung durften die Betreiber aber brandneue Zahlen zur Festigkeit ihrer Bauwerke und Ausrüstungen berechnen.

Nun präsentiere die BKW völlig neue Zahlen. Das gleiche Betriebsgebäude soll nun eine Erdbebenfestigkeit von 0,28 haben – das wäre mehr als das Dreifache, sagt er. Auch das Reaktorgebäude sei plötzlich viel sicherer. Früher habe es eine Erdbebenresistenz von 0,15 aufgewiesen, im Bericht für die EU mutiere dies zu einem Wert von 0,77 – rund das Fünffache.

«Die BKW scheint unter Druck zu sein», sagt Kühni. Denn aktuell laufen schweizweit neue Erdbebenanalysen, die laut einem Vorabbericht des Ensi eine mehr als doppelt so hohe Erdbebenstärke voraussagen.

Das ENSI gibt schliesslich zu, dass es diese Zahlen völlig ungeprüft an die EU schickt:

«Wenn das Ensi aber seine Rolle nur als „Sekretariat“ wahrnimmt, das die Ergebnisse einzig zusammenfasst, übersetzt und an die EU schickt, dann steht das diametral zum Sinn und Zweck des Tests», sagt Kühni.

Das Ensi bleibt wortkarg. Es bestätigt lediglich, dass es Dokumente, deren Qualität allein vom AKW-Betreiber garantiert wird, an die EU weitergegeben habe. Für die Nachfrage, wie es für Mühleberg trotzdem zur Bestnote kam, war das Inspektorat nicht mehr erreichbar.

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