Berner Regierung: „KKW Mühleberg soll spätestens 2022 abgeschaltet werden“

Barbara Egger, 2011
Frau Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer (Bild vom Februar 2011)

Die Berner Regierung hat ihren Gegenvorschlag zur Initiative „Mühleberg vom Netz“ vorgestellt. Sie ist dabei vollständig eingeknickt und auf die Wunschvariante der BKW eingespurt. Bis zum fernen Jahr 2022 soll das Rentner-AKW betrieben werden.

Geld-Sorgen? Ja

Entscheidend sei das Geld:

…der Kanton kann nicht eine sofortige Abschaltung des KKM verfügen, sondern müsste sie als Mehrheitsaktionär der BKW AG erzwingen. Weil sich die vom Kanton dafür zu beauftragenden Verwaltungsräte mit einem solchen Entscheid nicht gewinnorientiert verhalten würden, wäre der Kanton gegenüber den andern Aktionären haftbar. Die Schadenersatzforderungen könnten sich im dreistelligen Millionenbereich bewegen. Ein solches Haftungsrisiko kann der Kanton nicht eingehen.

So ganz wohl scheint es Regierungsrätin Barbara Egger-Jenzer dabei nicht zu sein. Vermutlich auf der verzweifelten Suche nach Erklärungen jenseits des kurzsichtigen Finanzdenkens, versteigt sie sich in ihrem Referat in ziemlich abenteuerliche Aussagen:

Mit der Definition des Endtermins geht der Gegenvorschlag sogar weiter als die Initiative, denn die Zeitangabe „sofort“ ist kein rechtlicher Begriff und deshalb auslegungsbedürftig und relativ, während ein klar definierter Endtermin keinen Spielraum lässt. Und genau das sind wir den Menschen im Kanton schuldig: Klartext, was unter dem strategischen Ziel des geordneten Ausstiegs aus der Atomkraft konkret zu verstehen ist.

Ich darf doch bitten, Frau Regierungsrätin. Als Kontrastprogramm der vollumfängliche Initiativtext:

Der Kanton, als Mehrheitsaktionär der BKW FMB Energie AG, sorgt für die sofortige Ausserbetriebsnahme des AKW Mühleberg.

Das nenne ich Klartext.

Kampagenensujet+Mühleberg+vom+Netz

Sicherheits-Sorgen? Nein

Die Frage der Sicherheit der Bevölkerung und ihrer Lebensgrundlagen wird nur einmal erwähnt:

Und für die Sicherheit ist die Aufsichtsbehörde, das ENSI, zuständig, welches das Werk diesbezüglich regelmässig überwacht.

Das tönte doch schon mal ganz anders:

[Der Bund vom 9.8.2011 fasst die SonntagsZeitung vom 7.8.2011 zusammen]

In deutlicher Form hat sich Regierungsrätin Barbara Egger (SP) in der «Sonntags-Zeitung» über das Eidgenössische Nuklearsicherheitsinspektorat (Ensi) geäussert: Es habe sich «selbst disqualifiziert», so die bernische Energiedirektorin. Sie wolle sich betreffend AKW Mühleberg «nicht mehr auf das Ensi verlassen müssen». Dessen Fachleute hätten eine zu grosse Nähe zu AKW-Betreibern und Versäumnisse begangen.

Da gibt es auch heute noch nichts hinzuzufügen.

Kultiviertes Totschlägerargument

Nur: seither wurde das Totschlägerargument „Schadenersatzforderung“ von den entsprechenden Einflüsterern sorgfältig kultiviert. Es scheint auch bei der Berner Regierung bestens funktioniert zu haben.

Mit Verlaub, es sei doch noch kurz erwähnt:

  1. Das AKW Mühleberg hatte noch nie eine unbefristete Betriebsbewilligung. Und damit bis zum heutigen Tag noch nie irgend einen rechtlichen, finanziellen Anspruch auf einen Betrieb über das aktuell gültige Befristungsdatum vom 28.6.2013 hinaus. Die Aktionäre der BKW mussten und müssen immer damit rechnen, dass bald der Stecker gezogen wird.
  2. Für ein Atomkraftwerk ohne unbefristete Bewilligung hätte die BKW den Stillegungs- und Entsorgungsfond nach der unmissverständlichen Gesetzgebung innert 40 Jahren, also bis Ende 2012 auffüllen müssen. Das hat sie nicht getan (und bezeichnenderweise ist niemand bei den freundlichen Bundesstellen eingeschritten). Die Aktionäre der BKW haben rechtlich keinerlei Anspruch, die hohle Hand zu machen, wenn der Fonds nachgespiesen werden muss.
  3. Wenn das Bundesgericht im Verfahren um die unbefristete Betriebsbewilligung der Vorinstanz Bundesverwaltungsgericht folgt (und es gibt keinerlei Grund, nicht davon auszugehen), dann wird das UVEK im besten Fall wieder eine kurze befristete Betriebsbewilligung aussprechen können, um für den Weiterbetrieb dringend geschuldete Nachrüstungen zu erzwingen, wie dies gemäss Gesetz (und bundesrätlicher Botschaft) vorgesehen ist.
  4. Zahllose Zweifel an der Sicherheit des AKW sind nicht ausgeräumt, Gerichtsverfahren laufen, die fast baugleichen Reaktoren von Fukushima werden noch Jahrzehnte lang unbequeme Fakten liefern. Der unbehelligte Weiterbetrieb des AKW ist alles andere als gesichert. Auch dieses Risiko muss bei einer Schadenersatzklage angerechnet werden.
  5. Die Rentabilität des AKW ist bereits heute, geschweige denn mit Nachrüstungen fragwürdig. Im bald vollständig liberalisierten Strommarkt wird die Situation noch schlimmer. Atomstrom wird man nur noch zu ruinösen Tiefstpreisen verkaufen können, sobald man die heutige Zwangskundschaft abschafft. Der Schadenersatz muss sich aber an einem nachweislich entgangenen Gewinn orientieren.

Die Aktionäre der BKW müssten gegen all die obenstehenden Tatsachen ihren Schadenersatzanspruch „ins Blaue hinein“ nachweisen. Im Unterschied zu heute, gegen die Interessen der Behörden, gegen die Interessen der Steuerzahler. Na dann, viel Glück!

Schneller aus Sicherheitsgründen abschalten?

Unbestritten scheint, dass ein aus Sicherheitsgründen abgeschaltetes AKW keinerlei Anrecht auf Schadenersatz hat. Nun gut, ich wüsste da so den einen oder anderen guten Grund…

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