BKW: Ausserbetriebnahme im Jahr 2019, Kernkraftwerk Mühleberg

Foto Titelbild: Atomkraftwerk Mühleberg, Arbeitsstand, Heft 3, Brown Boveri GETSCO, 1967
Foto: Frontbild Heft 3, Atomkraftwerk Mühleberg – Arbeitsstand, Brown Boveri & GETSCO, 1967. Quelle: Staatsarchiv Bern, N.P. Böhm 14

Die BKW hat entschieden

Ausserbetriebnahme im Jahr 2019
Kernkraftwerk Mühleberg

Die BKW AG hat in den vergangenen Monaten verschiedene Szenarien zur Zukunft und zum Weiterbetrieb des Kernkraftwerks Mühleberg (KKM) geprüft. Sie hat entschieden, das KKM bis ins Jahr 2019 unter Einhaltung aller Sicherheitsanforderungen weiter zu betreiben und anschliessend vom Netz zu nehmen. Bei ihrem unternehmerischen Entscheid hat sie sämtliche bekannten technischen, wirtschaftlichen, regulatorischen und politischen Aspekte mitberücksichtigt. Der Verzicht auf die Investitionen für einen Langzeitbetrieb reduziert das unternehmerische Risiko wesentlich und unterstützt einen verstärkten Ausbau der Wasserkraft und Windenergie im In- und Ausland sowie Investitionen in neue innovative Produkte und Dienstleistungen.

Eigentlich hätte das AKW ja bis 2015, nein bis 2017 aus diversen guten Gründen umfassend nachgerüstet werden sollen. Was ist denn nun damit?

Die BKW wird für die restlichen sechs Betriebsjahre im KKM verschiedene Nachrüstprojekte umsetzen. Insgesamt investiert die BKW rund CHF 200 Mio. für Betrieb und Instandhaltung, wovon rund CHF 15 Mio. auf ausserordentliche Nachrüstmassnahmen entfallen. Diese umfassen unter anderem Investitionen in Massnahmen für die Verbesserung der Kühlwasserversorgung und der Brennelement-Lagerbeckenkühlung.

Es bleiben also noch 15 von den 170 Millionen Franken übrig, die bisher für sukzessive Nachrüstungen bis 2017 veranschlagt wurden (oder noch mehr). Mit diesen 15 Millionen will die BKW aber beim ENSI mit gewohnter Salamitaktik um zwei weitere Jahre „Augen-zu-und-durch“ feilschen:

Damit hält die BKW die gesetzlichen Sicherheitsanforderungen ein und übertrifft die vom Eidgenössischen Nuklearinspektorat ENSI geforderte Sicherheitsmarge.

Verschachern der Sicherheitssmarge unstatthaft

Sieben Millionen pro zusätzliches Betriebsjahr? Das ist ziemlich billig. Das ENSI ist aber auch ziemlich willig. Es scheint schon auf das konkrete Datum 2019 einzuschwenken:

Sicherheitsmarge bis zum letzten Betriebstag

Das Kernkraftwerk Mühleberg erfüllt heute die gesetzlichen Mindestanforderungen und verfügt darüber hinaus über eine Sicherheitsmarge. „Wir werden aber darauf bestehen, dass diese Marge bis zum letzten Betriebstag 2019 wesentlich über den Ausserbetriebnahmekriterien bleibt“, betont ENSI-Direktor Hans Wanner.

Herr Wanner widerspricht mit der Aussage zur heutigen Sicherheitsmarge und dem Ausverkauf bis auf die Ausserbetriebnahmekriterien hinab der Gesetzgebung und der hauseigenen Sicherheitstechnischen Stellungnahme zum Langzeitbetrieb des Kernkraftwerks Mühleberg (Seite 63). Die Sicherheitsmarge des AKW Mühleberg wird dort nämlich ausdrücklich als ungenügend anerkannt. Zum Risiko einer Kernschmelze (Core Damage Frequency, CDF) schreibt das ENSI

… dass der CDF-Wert zur Zeit in dem Bereich liegt, in dem gemäss Richtlinie HSK-A06 Massnahmen zur Reduzierung des Risikos zu identifizieren und sofern angemessen umzusetzen sind.

Zum Risiko der Freisetzung von radioaktiven Stoffen in gefährdendem Umfang (Large Early Relese Frequency, LERF) ist es aus der Sicht des ENSI

… klar, dass die LERF deutlich geringer ist als die CDF, aber zurzeit grösser als 10-6 pro Jahr. Daher ist auch bezüglich früher grosser Freisetzungen im Leistungsbetrieb die Identifizierung und – sofern angemessen – die Umsetzung von Massnahmen zur Reduktion des Risikos erforderlich.

Es ist also klar, dass diese Nachrüstungen nicht eine freiwillige Übung der BKW und des ENSI sind, sondern geschuldet nach dem Kernenergiegesetz (Artikel 4 Absatz 3 Bst. b sowie Artikel 22  Absatz 2 Bst. g), konkretisiert nach den Richtlinien zur Anwendung der Probabilistischen Sicherheitsanalyse (PSA). Ein „Verschachern“ der Sicherheitssmarge ist unstatthaft.

Verkürzen statt Verlängern

Wenn das ENSI seine gesetzlichen Aufgaben wahrnehmen will, muss es die Laufzeit nun verkürzen und nicht verlängern. Wenn weder neue Zuganker zur Stabilisierung des rissigen Kernmantels, noch eine neue Kühlwasserleitung vom Saanegrundwasser her (diversitäte Wärmesenke), noch ein zusätzliches Nachwärmeabfuhrsystem im Reaktorgebäude/Notstandsystem (Minus-11-Meter Ebene) etc. gebaut werden, wie bisher vom ENSI gefordert und von der BKW in Aussicht gestellt, dann fällt auch die Risikominderung durch die sukzessive Inbetriebnahme dieser Nachrüstungen (Meilensteine) bis 2017 weg.

Risiko mit und ohne Nachrüstung
Grafik: Symbolische Darstellung des aufsummierten Risikos über die Zeit. Bei sukzessiven Nachrüstungen wird das Risiko zwar kurzzeitig durch die Inbetriebnahme der neuen Systeme erhöht, fällt dann aber deutlich ab, was sich über die Zeit ausbezahlt. Um ohne die Nachrüstungen auf das selbe Risiko (Fläche) zu kommen, muss die erlaubte Weiterbetriebszeit verringert werden (gestrichelte Linie).

Das aufsummierte Risiko wird durch Untätigkeit grösser (für 15 Millionen Franken können Sie keine substanziellen Verbesserungen erreichen). Um auf eine vergleichbare Fläche (=Risiko) zu kommen, muss die Betriebszeit entsprechend verkürzt werden. Zum Beispiel bis 2015, wie ursprünglich versprochen.

Befristung der Betriebsbewilligung oder endlose Salamitaktik

Was auch immer das Datum sein wird: ohne die Befristung der Betriebsbewilligung gemäss Kernenergiegesetz (Art. 21 Abs. 2) bleibt die Absichtserklärung eines Betreibers rechtlich praktisch unverbindlich. Das ENSI muss beim UVEK die Befristung der Bewilligung beantragen, wenn es einen solchen „Deal“ abschliessen will. Erst wenn sich der Bewilligungsinhaber darauf einlässt, steht die Stilllegung auf rechtlich sicheren Füssen.

Ich hoffe das ist allen Entscheidungsträgern bewusst. Andernfalls werden wir die bereits in drei Scheiben erfolgte Salamitaktik noch lange weiter erleben.

Salamitaktik

ENSI verspricht Prüfung

Das ENSI anerkennt, dass nun kein unbefristeter Betrieb mehr vorliegt und verspricht ein Prüfung der Nachrüstmassnamen vs. Laufzeit:

„Die BKW verzichtet mit ihrem Ausstiegsentscheid 2019 auf einen unbefristeten Langzeitbetrieb”, stellt ENSI-Direktor Wanner klar. Damit liegt eine neue Situation vor. Das ENSI erwartet deshalb, dass die BKW in einer neuen Nachrüstplanung aufzeigt, wie sie die notwendige Verbesserung der Sicherheit des Kernkraftwerks Mühleberg in der verbleibenden Laufzeit zu gewährleisten gedenkt. Das ENSI wird diese Planung prüfen und dazu Stellung nehmen.

Hoffen wir, dass die gesetzlichen Regelungen wenigsten in diesem Sinne noch angewendet werden.

Die gesetzlichen Mindestanforderungen nicht erfüllt

Zum Schluss darf nicht unerwähnt bleiben, dass ich entgegen der Aussage des ENSI-Direktors (siehe oben) der fundierten Meinung bin, dass die gesetzlichen Mindestanforderungen nicht erfüllt werden. Unsere Rechtsverfahren in Sachen „mobile Pumpen“ und „Wohlensee-Staumauer“ sind nach wie vor hängig.

Auslegungshochwasser - Sicherheit à la ENSI

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