Gerichtsverhandlung zur Beschwerdesache „Aufhebung der Befristung der Betriebsbewilligung für das KKM“

Rückblick vom Mai 2012:


Foto: Friedliche Unterstützungs-Demo auf der anderen Strassenseite des Bundesverwaltungsgerichts.

Am 13. Dezember 2011 hat beim Bundesverwaltungsgericht in Bern eine Verhandlung stattgefunden. Ich durfte als zweiter Assistent an der Seite des beschwerdeführenden Anwalts Rainer Weibel teilnehmen.

Hauptthemen waren erstens die Problematik des rissigen Kernmantels und seiner zweifelhaften „Reparatur“ mittels Zugankern, sowie zweitens die Erdbebenproblematik beim AKW selber, aber auch beim Wohlenseestaudamm, durch dessen Bruch das AKW überflutet würde.

Als drittes Thema konnte ich – als spät dazugekommenes Mitglied des Teams – die „fehlende diversitäre Wärmesenke“ für die Vorbereitung der Verhandlung vertiefen. Dabei ging es um die Tatsache, dass das AKW Mühleberg als einziges Schweizer AKW neben der Flusskühlung keine Alternative hat.

Dieser Punkt ist in meinen Augen brisant, denn das ENSI (vormals HSK) hatte sich seit 1990 gegen die Einwände der Beschwerdeführer auf den Standpunkt gesetzt, es sei keine derartige zweite Wärmesenke notwendig.

Diese Haltung geht zurück bis zur Erteilung der heute gültigen Betriebsbewilligung (Entscheid des Bundesrates vom 14. Dezember 1992 zur Betriebsbewilligung des AKW Mühleberg, Seite 13).

4.1.6 Nachwärmeabfuhr

In verschiedenen Einsprachen wird vorgebracht, das KKM besitze im Gegensatz zu anderen Kernanlagen nur eine Wärmesenke.

Die Nachwärmeabfuhrsysteme sind im Sinne der Richtlinie R-101 vierfach redundant vorhanden. Eine Forderung nach zwei Wärmesenken besteht nicht, wenn die vorhandene Wärmesenke bei allen Auslegungsstörfällen vorhanden ist. Dies trifft beim KKM, welches die Aare als Wärmesenke benutzt, zu.

Nach Fuksuhima hat das ENSI nun seine Meinung um 180° gedreht und verlangt von der BKW die Nachrüstung einer solchen diversitären Wärmesenke.

Weil bei den anderen AKW in der Schweiz keine Nachrüstungen derartigen Ausmasses gefordert sind, wird somit auch klar, dass das AKW Mühleberg im Vergleich zu den anderen AKW einen deutlich niedrigeren Sicherheitsstandard aufweist.

Diese Kehrtwende des ENSI ist darum entscheidend, weil sie dem Entscheid des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation UVEK vom 17. Dezember 2009, also der Vorinstanz in der Beschwerdesache, mehrfach die Grundlage entzieht:

Das KKW Mühleberg weist nach den Feststellungen des ENSI im Vergleich zu den anderen Kernkraftwerken der Schweiz einen hohen Sicherheitsstandard auf. Nach Ansicht des UVEK sind deshalb keine sachlichen Gründe ersichtlich, die eine Befristung der Betriebsbewilligung für das KKW Mühleberg und damit eine Ungleichbehandlung gegenüber den anderen Kernkraftwerken rechtfertigen würden.
[Ziffer 46 des UVEK Entscheids].

Das UVEK führt sodann die mögliche Begründung für eine weitere Befristung/Prüfung der Betriebsbewilligung an:

Sollte sich aus der Prüfung der Argumente der Einsprechenden ergeben, dass sicherheitsrelevante Aspekte vom ENSI nicht erkannt wurden, und die daraus sich ergebenden Problemstellungen nicht im Rahmen der laufenden Aufsicht bewältigt werden können, so wäre in einem nächsten Schritt die Frage der Befristung des KKW Mühleberg unter Berücksichtigung solcher Aspekte zu prüfen.
[Ziffer 49 des UVEK Entscheids].

Am Schluss prüft das UVEK diese möglichen Begründungen und urteilt schliesslich wie folgt:

Im vorliegenden Verfahren prüfte das ENSI in seinen Stellungnahmen ENSI 11/1245 sowie ENSI 11/1286 die von den Einsprechenden vorgebrachten Argumente hinsichtlich der Sicherheit des KKW Mühleberg. Es kommt nach einer umfassenden Überprüfung der vorgebrachten Argumente zum Schluss, dass die Einsprechenden keine neuen Aspekte bezüglich der sicherheitstechnischen Beurteilung des KKW Mühleberg vorbringen.
[Ziffer 64.1 des UVEK Entscheids]

Eine erneute Befristung der Betriebsbewilligung erscheint daher weder erforderlich noch geeignet, um das Ziel eines sicheren Betriebs zu gewährleisten. Eine solche Befristung wäre mit dem Grundsatz der Verhältnismässigkeit nicht vereinbar und würde im Weiteren gegen das Rechtsgleichheitsprinzip verstossen. Die Betriebsbewilligung für das KKW Mühleberg ist daher nicht erneut zu befristen.
[Ziffer 64.2 des UVEK Entscheids]

Es ist also leicht ersichtlich, dass das Eingeständnis des ENSI zur diversitären Wärmesenke – widerwillig erst nach den unwiderlegbaren Fakten aus Fukushima erbracht – den Beschwerdeführeren endlich recht gibt und damit dem UVEK-Entscheid die Grundlage entzieht.

Später wird man sehen, wie das Bundesverwaltungsgericht unter anderem dieser Argumentation folgt.

Argumentarium zu Handen des Anwalts (gekürzt):
Gründe gegen eine Entfristung – gekürzt, letzte Version vom 9.12.2011

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