Der Bund: „Die «Blache» auf dem Dach des AKW“

Wenn es in einem Haus durchs Dach regnet, das Sie bald abreissen, dann können Sie es mit einer Blache abdecken, BKW-Präsident Urs Gasche

Im Artikel „Die «Blache» auf dem Dach des AKW“ schreibt Der Bund heute über die Pläne der BKW (von Simon Thönen):

Viele Sicherheitsprobleme von Mühleberg hat das Ensi erst nach Fukushima ernst genommen. Gemäss den Plänen der BKW soll das AKW bis 2019 laufen, ohne dass diese grundlegend behoben würden.

Von später Einsicht und endloser Nachsicht

Zahlreiche gravierende Mängel des AKW Mühleberg wurden bereits seit Jahrzehnten von Kritikern angemahnt. Nach Fukushima sollten einige davon endlich behoben werden, das ENSI verlangte vom AKW Mühleberg diverse Nachrüstungen. Diese summierten sich schliesslich auf mehrere Hundert Millionen Franken, was eindrücklich den Nachholbedarf bei diesem maroden AKW belegt.

Die späten Einsichten des ENSI

Vorgestern gab die BKW bekannt, sie wolle nur für 15 Millionen nachrüsten und trotzdem erst 2019 den Betrieb einstellen.

Billigere Lösungen

Was genau für den sicherheitstechnisch betrachtet lächerlichen Betrag gebaut werden soll, scheint unklar:

Blumige Umschreibungen, aber wenig Information gab es am Mittwoch vonseiten der BKW zu den geplanten Verbesserungen der Sicherheit von Mühleberg. Warum für einen Betrieb bis 2019 weniger Investitionen in die Sicherheit nötig sind als für eine Laufzeit bis 2027, umschrieb BKW-Präsident Urs Gasche gegenüber Radio SRF so:

«Wenn es in einem Haus durchs Dach regnet, das Sie in zwei Jahren abreissen wollen, dann können Sie es mit einer ‹Blache› abdecken und haben Ruhe. Wenn Sie es aber Ihren Kindern vererben wollen, dann brauchen Sie ein neues Ziegeldach.»

Herrn Gasche hat den sicherheitstechnischen Zustand und die Sicherheitskultur beim AKW Mühleberg sehr treffend wiedergegeben. Entsprechend tönen jetzt die Pläne der BKW:

Was ist mit der sicheren Kühlmittelversorgung?

Nicht mehr bauen will die BKW die ursprünglich vorgesehene neue Kühlwasserleitung zur Saane, welche die Kühlung von der Aare unabhängig machen soll. Stattdessen, so teilt sie auf Anfrage mit, prüfe sie «verschiedene Lösungsansätze». So einen besseren Anschluss an ein bestehendes Wasser-Hochreservoir. Das Problem: Dieses ist nicht erdbebenfest. Ebenfalls problematisch sind weitere sogenannte Unfallmanagement-Massnahmen. Denn solche erfordern das aktive Eingreifen von Menschen, was diese gefährdet. Bereits jetzt hat die BKW als letzte Massnahme zur Notkühlung vorgesehen, dass Feuerwehrleute Wasser über neu installierte Anschlüsse in den Reaktor pumpen.

Herr Thönen weist auch korrekterweise darauf hin, dass der Eiertanz um diese Nachrüstung bereits in der x-ten Pirouette vorgelegt wurde:

Kurze Rückblende: AKW-Gegner hatten bereits vor mehr als zwei Jahrzehnten eine von der Aare unabhängige Kühlung in Mühleberg gefordert. Doch das Ensi verlangte dies erst nach Fukushima. Nach dem Unfall sei «die Sensibilisierung auf mögliche Verstopfungen von Wassereinläufen gewachsen», begründet das Ensi auf Anfrage seine späte Erkenntnis. Die BKW schlug in der Folge immer neue Varianten vor: zuerst einen kleinen Kühlturm, dann eine Palette verschiedener Optionen, schliesslich die Wasserleitung zur Saane – und nun wieder etwas völlig anderes. Nicht nur die immer neuen Varianten der BKW führten zu Verzögerungen. Auch das Ensi selber verschob die Frist von «allerspätestens 2015» auf 2017.

Die BKW hat nun erfolgreich über mehr als zwei Jahre hinweg eine Pendenz verschleppt, deren Erledigung das ENSI auf den 31. August 2011 angesetzt hatte:

ENSI Verfügung 3 - Forderung 1 - Kuehlmittelversorgung

Was ist mit der sicheren Kühlung für das Brennelementbecken?

Das zweite Überbleibsel der Nachrüstpläne betrifft die Kühlung der abgebrannten Brennelemente. Diese sind bekanntlich auch nach Beendigung der nuklearen Kettenreaktion noch sehr lange horrend radioaktiv, was grosse Mengen sog. Nachzerfallswärme erzeugt. Nach dem Entfernen aus dem Reaktor müssen die Brennelemente tief im Wasserbecken jahrenlang mit hoher Leistung gekühlt werden. Das gilt auch nach einer Störfall-Abschaltung und nach der Stilllegung (Nachbetriebsphase). Somit ist diese Nachrüstung doppelt wichtig:

In Fukushima schmolzen gebrauchte Brennstäbe, weil das Wasser in den Lagerbecken verdampfte. Auch für die Lösung dieses Problems sucht die BKW «neue Optionen». Immerhin: «Sicher» sei, schreibt die BKW, «dass die gewählte Lösung erdbebenfest sein wird».

Auch hier wird der „Zurück auf Feld eins“-Trick zur endlosen Verzögerung mit Duldung durch das ENSI sehr erfolgreich angewandt, seit mehr als zwei Jahren:

ENSI Verfügung 3 - Forderung 2 - Brennelementbecken

Was ist mit der Konstruktionsfehler „Minus-11-Meter Ebene“?

Als dritter wichtigster Punkt bleibt die Minus-11-Meter Ebene:

Eine der Auflagen des Ensi sollte korrigieren, was AKW-Gegner schon seit 1991 als «Konstruktionsfehler» des AKW kritisieren: Alle Notkühlpumpen befinden sich unterhalb eines mit Wasser gefüllten riesigen Rings – was die Pumpen bei Lecks überfluten könnte. Zudem fehlen Brandabschnitte.

Sämtliche – ich wiederhole – sämtliche primären Notkühlsysteme befinden sich im selben Raum:

Minus 11-Meter-Ebene Teaser

Auch hier wird nun nur Kosmetik betrieben:

2011 forderte auch das Ensi Massnahmen. Vorgesehen war ein neues System – das die BKW nun ebenfalls nicht bauen will. An dessen Stelle sollen nicht näher umschriebene «Massnahmen zur Erhöhung des Feuer- und Überflutungsschutzes» treten. Das Ensi betont, dass es von der BKW eine neue Nachrüstplanung für den Betrieb bis 2019 fordert. Die Atomaufsicht will diese prüfen und «zu gegebener Zeit dazu Stellung nehmen».

Das gesamte Nachrüstkonzept ist vom Tisch – Das ENSI muss die Konsequenzen ziehen

Die BKW wollte eigentlich das System DIWANAS (s.u.) bauen, um den deutlichen Forderungen des ENSI nachzukommen. Das ist jetzt Makulatur. Nun liegt es am ENSI, die Konsequenzen zu ziehen.

DIWANAS
Folie: BKW, Mediengespräch Kernkraftwerk Mühleberg, Verlängerungsgesuch und umfassendes Instandhaltungskonzept für den Langzeitbetrieb, Bern, 14. August 2012

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Leider wird dieses Formular von SPAM-Robotern missbraucht. Bitte beweisen Sie mit der folgenden Rechenaufgabe, dass Sie ein Mensch sind, vielen Dank. *