Der Bund: „Hochwasser-Berechnung könnte Mühleberg in Schwierigkeiten bringen“

Rückblick vom Mai 2012:

In seinem Artikel „Hochwasser-Berechnung könnte Mühleberg in Schwierigkeiten bringen“ vom 19.7.2011 veröffentlicht Der Bund die Vorwürfe des prominenten Klimahistorikers Christian Pfister, die BKW habe das Risiko von extremen Hochwassern unterschätzt. Von Simon Thönen.

Hochwasser sind ein sensibles Thema für das Atomkraftwerk Mühleberg: Ende Juni schaltete die Betreiberin BKW ihr AKW vorzeitig ab, um den Hochwasserschutz nachzurüsten. Ein ETH-Gutachten hatte gezeigt, dass bei einem Extremhochwasser die Kühlwasserversorgung verstopfen könnte […]. Die Nachrüstarbeiten in Mühleberg haben begonnen. Doch nun droht dem fast vierzigjährigen AKW neues Ungemach: Der Klimahistoriker Christian Pfister, eine Kapazität auf diesem Gebiet, wirft der BKW vor, sie unterschätze die extremen Hochwasser, welche dem Nachweis der Hochwassersicherheit zugrunde liegen. Er fordert eine neue Berechnung.

[…]

Intensiver Regen und äusserst ergiebige Schneeschmelzen hätten laut den Chroniken etwa 1373, 1480, 1566 und 1570 zu sehr grossen Hochwassern geführt, erklärt Pfister. Ausgerechnet in der Zeit zwischen 1877 und 1993, die mit Messungen gut erfasst ist, waren extreme Hochwasser dagegen selten – 1999, 2005 und 2007 kehrten sie jedoch zurück.

[…] Unterschätzt die BKW also die möglichen Hochwasser, indem sie sich auf die katastrophenarme Zeitspanne abstützt, für die Messwerte vorliegen? Die BKW habe zusätzlich zu diesen Daten auch die theoretisch maximal mögliche Niederschlagsmenge errechnet, entgegnet Sprecher Vogler. Konkret: zwei Tage Regen ohne Unterbruch im Einzugsgebiet der Aare und der Saane. Dies ergäbe dann bei der Aare einen Abfluss, der «rund doppelt so hoch ist wie 2005».

Pfister verweist allerdings auch diesbezüglich auf einen Chronisten: Diebold Schilling vermeldete für 1480 drei Tage Regen ohne Pause. Die BKW wiederum betont, dass die Nuklearaufsicht Ensi die Hochrechnung, die bereits für das geplante neue AKW in Mühleberg erstellt wurde, akzeptiert habe.

Der Artikel erschien (inkl. lustiger Karikatur) auch im Tagesanzeiger.

Nachdem der Artikel erschienen ist, habe ich nach den Quellen gesucht. Die Berner-Chronik des Diebold Schilling ist in einer Abschrift „Im Auftrag des historischen Vereins des Kantons Bern herausgegeben von Gustav Tobler, Bern 1897-1901“ bei DigiBern (Universitätsbibliothek Bern) erhältlich.

Im zweiten Band auf Seite 234 berichtet der Chronist „Das die Are und ander wasser gar unsaglich gros wurdent“.

Man beachte die hier beschriebene Überlagerung von Schneeschmelze und Niederschlägen und die Dauer des Starkregens („slegregen“) von drei Tagen. Die BKW rechnete in ihrem „mutmasslich maximale Niederschlag“ (Probable Maximum Precipitation, PMP) Szenario nur mit zwei Tagen und ohne Schneeschmelze (Quelle: Gutachten des ENSI zum Rahmenbewilligungsgesuch der EKKM AG, Seite 88).

Später wird sich auch der leitende Autor der Studie, welche die BKW für die Berechnung des PMP beigezogen hat, öffentlich dazu äussern.


Nachtrag:

Der Beitrag „AKW Mühleberg bei Hochwasser schlecht geschützt“ des Schweizer Fernsehens (Schweiz aktuell vom 30.8.2011) illustriert die Zusammenhänge.

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